Künstler*in | Rufus Wainwright | |
Album | Unfollow The Rules – The Paramour Session | |
Label | BMG | |
Erscheinungsjahr | 2021 | |
Bewertung |
Auf rund 40 Millionen Dollar wird der Preis dieser Immobilie taxiert: Das Paramour Mansion in Los Angeles wurde 1923 als Zuhause für den Stummfilm-Star Antonio Moreno gebaut, der eine Öl-Erbin geheiratet hatte, die später bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam. Man kann sich gut vorstellen, wie dort – umgeben von viel Grün und exquisitem Mobiliar, mondäne Partys wie aus Der große Gatsby gefeiert wurden. Nun ist der Ort (genauer: der Ballsaal des Anwesens) zum Schauplatz für Rufus Wainwright geworden. Er hat dort sein Album Unfollow The Rules neu eingespielt, live mit einem Streichquartett, einem Gitarristen und einem Pianisten.
Man kann sich die Frage stellen, wie sinnvoll ein Konzertmitschnitt ohne Publikum ist, bei dem alle Instrumentalisten einen Mund-Nasen-Schutz tragen müssen. Unfollow The Rules – The Paramour Session gibt darauf aber eine sehr schlüssige Antwort. Erstens passt die Musik von Rufus Wainwright perfekt in diese Umgebung, wie schon der Titelsong gleich zu Beginn zeigt. Er wirkt innig, behutsam und so edel, wie es für diesen Ort angemessen ist, irgendwo ist da aber auch ein Grund zur Beunruhigung, vielleicht im leicht schrägen Streicherarrangement. Zweitens hat Wainwright, so sehr er im vergangenen Jahr für die Rückkehr zu Pop und Rock gefeiert wurde (Unfollow The Rules war seine erste Platte dieser Kategorie seit 2012 und wurde unter anderem für den Grammy als“Best Traditional Pop Album“ nominiert), weiter große Lust auf Klassik. Man sollte nicht vergessen, dass er einst Platten mit Operetten für ein junges Publikum kompilierte, zuletzt seine erste Oper komponiert und ein Album mit vertonten Shakespeare-Sonetten aufgenommen hat. Hier rückt er auch sein neues Material in diese Richtung.
So wird My Little You zu einer sehr lebendigen Erinnerung, Going To A Town hat etwas Schwermut und viel Pathos, This One’s For The Ladies ist so kapriziös, wie man das von ihm kennt, aber die Zeile „Come with me to a wondrous land“ hat trotzdem eine große Bestimmtheit, sie ist eine Aufforderung, keine Einladung. Devils And Angels (Hatred) bietet viel Spannung und Drama sowie im Refrain die sicher schönste Melodie des Albums, auch Happy Easter, einer von zwei bisher unveröffentlichten Tracks, glänzt mit großer Geste und setzt durch die E-Gitarre interessante Tupfer ins Klangspektrum dieser Platte. Beim zweiten neuen Song How To Treat A Lady steht hingegen das Klavier im Zentrum, was wunderbar zur schwelgerischen Atmosphäre des Stücks passt.
Auf Damsal In Distress ist auch im neuen Arrangement alles plakativ, aber mit so viel Substanz, dass es dabei nie angeberisch wird. Peaceful Afternoon bekommt durch die akustische Gitarre einen angenehmen Schwung, im reduzierten Only The People That Love klingt der 48-Jährige zuerst selbstverliebt, wenn am Ende die Streicher hinzukommen allerdings himmlisch. Auch Unfollow The Rules – The Paramour Session zeigt, wie zutreffend die Beschreibung des New Yorker für seine Stimme ist, die hier mehr denn je den Klang prägt: “Niemand singt auch nur annähernd so wie Rufus Wainwright. In einem einzigen Atemzug kann er Langeweile und großes Drama transportieren – und schafft es auch noch, dabei irgendwie angepisst zu klingen.”