Künstler | Ryley Walker | |
Album | Course In Fable | |
Label | Husky Pants Records | |
Erscheinungsjahr | 2021 | |
Bewertung |
7:50 Minuten lang ist A Lenticular Slap, der dritte Track auf dieser Platte. Es ist damit nicht der längste Song, den Ryley Walker je aufgenommen hat. Als er Coverversionen der Dave Matthews Band auf den Lilywhite Sessions versammelt hat, wurde mehrfach die 10-Minuten-Grenze überschritten, seine jüngsten Zusammenarbeiten mit Kikagaku Moyo kamen sogar beinahe an 20 Minuten heran. Dass die durchschnittlische Spielzeit der sieben Songs auf Course In Fable bei fast sechs Minuten liegt, lässt aber dennoch aufhorchen und ist ein wichtiges Indiz für den Charakter dieses Albums, das heute digital und Ende des Monats auch physisch erscheint. Ryley Walker, ein bekennender Genesis-Fan, nennt sein fünftes Solo-Werk seine „Prog-Platte“. Das ist zwar halb im Scherz gemeint, als Hörer sollte man sich dennoch ernsthaft gewarnt fühlen.
Striking Down Your Big Premiere eröffnet die Platte und unterstreicht das bereits: Der Auftakt ist gewagt im Takt und insgesamt fast ein bisschen wahnsinnig im Rhythmus. Erst die Gitarre beruhigt das Geschehen, und dann klingt auch der Gesang fast beschwichtigend, bevor das Stück am Ende wieder in Prog- und Jazz-Gefilde entflieht. Auch das schon erwähnte A Lenticular Slap beginnt enorm experimentell, es klingt erst wie Musik für ein Ballett, dann vielleicht für einen Film. Auch hier kristallisiert sich erst mit dem nach zwei Minuten einsetzenden Gesang eine Richtung heraus, die den Instrumenten aber weiter viel Freiraum lässt.
Noch mehr als von der Vorliebe für Prog und Jazz ist Course In Fable von der Zeit geprägt, die der aus Illinois stammende Ryley Walker in der Musikszene von Chicago verbracht hat. Viele der Mitstreiter auf diesem Album haben ebenfalls einen Background in der Windy City, etwa Gitarrist Bill MacKay, mit dem sich Walker hier immer wieder spannende instrumentale Dialoge liefert wie in Clad With Bunk, das innerhalb weniger Sekunden von alarmistisch zu verträumt und dann im letzten Drittel genauso überaschend zu dezent rockig wechselt. Auch Produzent John McEntire, der diese Rolle beispielsweise auch schon für Tortoise inne hatte, ist eine enorm prägende Figur des Chicago-Sounds, obwohl sein Studio mittlerweile in Portland steht. Das erklärt auch gut die Beteiligung von Douglas Jenkins (Portland Cello Project), der für die Streicherarrangements zuständig war. Sein Beitrag ist besonders prominent in Rang Dizzy, das klassische Folk-Zutaten wie das Picking auf der akustischen Gitarre, die sanfte Stimme und eben die Streicher vereint, aber dabei weiterhin den Willen zum Besonderen und Exklusiven verkörpert und somit eher nach Tim Buckley als nach Nick Drake klingt.
Ryan Jewell (Schlagzeug) und Andrew Scott Young (Bass) komplettieren die Band, auch sie spielen schon lange mit Ryley Walker zusammen (der übrigens selbst nicht mehr in Chicago, sondern momentan in New York lebt). Jewell darf in Axis Bent die Führungsrolle übernehmen, es ist kein Zufall, dass man darin als erstes Instrument sein Schlagzeug hört, denn der Song hat mehr Schwung, Kraft, Kompaktheit und Groove als der Rest von Course In Fable, auch wenn man natürlich auch hier ein paar Seltsamkeiten findet, vor allem am Ende.
Pond Scum Ocean treibt das auf die Spitze und wirkt, als hätte jeder Musiker für seinen Part willkürlich ein Blatt aus dem Notenbuch gerissen, von ganz unterschiedlichen Seiten, und danach gespielt. Das Ergebnis ist – wie etliche Passagen auf diesem Album – eher anstrengend als interessant, obwohl die Instrumente nach drei Minuten doch noch zueinander finden und gemeinsam so etwas wie einen galoppierenden Softrock entwickeln. Erst ganz am Ende gönnt Ryley Walker, der Course In Fable auf seinem eigenen Label veröffentlicht, dem Publikum ein bisschen ungetrübte Beschaulichkeit: Shiva With Dustpan wird sehr einnehmend und hübsch – ganz ohne Einschränkung.