Künstler | Saint Sister | |
Album | Where I Should End | |
Label | FUGA | |
Erscheinungsjahr | 2021 | |
Bewertung |
Heart, die Bangles, Dixie Chicks, 2:54, Tegan and Sara, All Saints, Bleached, The Corrs – die Liste von Bands, in denen Schwestern gemeinsam musikalisch aktiv sind, ist ziemlich lang. Das ist auch nicht sonderlich erstaunlich: Genau wie bei Brüdern darf man davon ausgehen, dass ein musikalisches Elternhaus hier ebenso prägend ist wie der naheliegende Gedanke einer gemeinsamen Freizeitgestaltung. Und natürlich hat die Kombination aus Blutsverwandtschaft und einem geteilten Leben bei vielen dieser Acts den Effekt, dass man eine ganz besondere Verbindung erspüren kann.
Morgan MacIntyre und Gemma Doherty sind – schon die Namen lassen das erahnen – keine Schwestern und auch sonst nicht verwandt. Erstere kommt aus Belfast und eiferte als Songwriterin früh ihren Helden wie beispielsweise Leonard Cohen nach. Letztere kommt aus Derry, spielt Harfe und Klavier und entwirft gerne ausgefallene Klangwelten. Beide sind zum Studieren nach Dublin gegangen, wo sie sich 2014 kennenlernten. Dass auch ohne gemeinsame Eltern eine besondere Verbindung zwischen ihnen bestand, war schnell klar – und so waren Saint Sister geboren. Das Debütalbum Shape Of Silence (2018) erntete viel Lob und Aufmerksamkeit, darunter eine Nominierung für den Northern Irish Music Prize. Morgen legt das Duo mit Where I Should End nach, erstmals ist alles selbst geschrieben, arrangiert und produziert.
Die Vergleiche mit Enya oder den Cocteau Twins, die man im Zusammenhang mit Saint Sister häufig hört, leuchten schon im Auftaktsong My Brilliant Friend ein: Er eröffnet das Album mit einer schweren Orgel, dann vorsichtigem Gesang, bevor nach zwei Minuten dann der Rest der Instrumente einsetzt, wobei jeder einzelne Schritt dieser Entwicklung und jede Nuance in diesem Klang wunderbar intuitiv wirken. Auch Lisa Hannigan (für die das Duo auch schon im Vorprogramm gespielt hat) ist eine oft genannte Referenz, für The Place That I Work haben Saint Sister sie deshalb gleich als Gast eingeladen. In dieser Besetzung entsteht ein sehr schöner Harmoniegesang mit einem fast sakralen Effekt.
Sehr typisch für Where I Should End ist Manchester Air, das wie ein Traditional wirkt, zugleich aber sehr moderne Elemente integriert. Auch für das behutsame Irish Hour und seine Kombination aus sehr schönen Streichern und dezenten Beats gilt das. Ohnehin sind Morgan MacIntyre und Gemma Doherty – bedenkt man, dass sie im weitesten Sinne einen Folk-Hintergrund haben – erstaunlich überzeugend, wenn es etwas kraftvoller wird. Das merkt man etwa im zupackenden Karaoke Song, dem besten Lied der Platte, oder im besonders elektronischen Album-Schlusspunkt Any Dreams?, der auch dank seiner beträchtlichen Energie zu einer sehr eigenständigen und überzeugenden Version von alternativer Popmusik beiträgt.
Date Night kann ebenfalls mit einem sehr präsenten Schlagzeug aufwarten, der Gesang klingt auch hier wie aus der Position von fernen Beobachterinnen, die nicht gleich Fabelwesen sein müssen, sich aber nicht nur wegen der vorwurfsvollen Frage „Why are you so fucking happy?“ nicht wirklich in unserer Welt dazugehörig zu fühlen scheinen. Die Stimmen glänzen auch in Dynamite, das anfangs quasi acappella ist und dann in Richtung ein paar asiatischer Elemente zu entschweben scheint. Im instrumentalen House 9 darf hingegen die Harfe in den Mittelpunkt. Oh My God Oh Canada zeigt noch einmal, was Saint Sister auf Where I Should End so stark macht: Sie können Melodie genauso gut wie Atmosphäre.