(Sandy) Alex G – „House Of Sugar“

Künstler (Sandy) Alex G

Sandy Alex G House Of Sugar Review Kritik
Für „House Of Sugar“ hat Sandy Alex G technisch ein bisschen aufgerüstet.
Album House Of Sugar
Label Domino
Erscheinungsjahr 2019
Bewertung

Es ist nicht neu, dass man bei Alex Giannascoli alias (Sandy) Alex G ein wenig rätseln muss, um dem Kern seiner Lieder, dem Wesen seiner Protagonisten und der Idee hinter seiner Klangästhetik auf die Schliche zu kommen. Diesmal macht der 26-Jährige aus Philadelphia das vor allem zum Anfang und zum Ende einer Platte deutlich.

House Of Sugar, sein neuntes Album, wird vom Quasi-Titelsong Sugar House abgeschlossen. Das vielleicht eleganteste Stück dieser Platte hat (Sandy) Alex G bei einem Konzert in St. Louis aufgenommen und später noch ein Saxofon darüber gelegt. Benannt ist es nach einem Casino – und darin liegt der Hinweis für das diesmal dominierende Thema: Unsicherheit. Wird die richtige Karte kommen? Bleibt die Kugel auf der gewünschten Zahl stehen? Soll ich noch einmal Geld in den einarmigen Banditen stecken? Ist mein Gegner stärker oder ist das nur ein Bluff? Die Fragen, die sich beim Glücksspiel stellen, überträgt er hier auf diverse andere Lebenssituationen mit der Schlussfolgerung: Man kann nie wissen, man sollte sich nie zu sicher sein.

Der Auftakt Walk Away packt diesen Gedanken in ganz wenige Worte: „Someday I’m gonna walk away from you / not today“, singt (Sandy) Alex G darin. Die Verse zeigen: Er ist in der Lage zu Durchtriebenheit und einer kaltblütigen Drohung. Zugleich artikuliert er aber auch eine Zerbrechlichkeit und Unsicherheit, die er selbst spürt und die ihm selbst zu schaffen macht. Der Sound ist maximal passend dazu: Walk Away klingt wie ein kaputtes Home Recording, es scheint stellenweise rückwärts zu laufen, zu leiern und verfremdet zu sein. Natürlich wird im weiteren Verlauf des Albums klar, dass das nicht amateurhaft und defekt ist, sondern ausgeklügelt und komplex.

In der Tat hat (Sandy) Alex G für House Of Sugar technisch aufgerüstet, wenn auch ausgehend von dem bei ihm sehr überschaubaren Ausgangsniveau: Alle seine bisherigen Platten hatte er mit einem Kinderspielzeug-Mikrofon aufgenommen, das ihm seine Eltern einst geschenkt hatten. Nun ist erstmals ein neues Mikro im Einsatz. Zudem nutzte er beim Aufnehmen der Basis dieser 13 Lieder ein anderes Laptop mit einer neueren Version von GarageBand, bevor dann ein paar Gäste die zuhause in Philadelphia geschaffenen Grundlagen veredeln durften. Auch die Herangehensweise ist elaborierter als zuvor: (Sandy) Alex G begann fast unmittelbar mit der Arbeit an der neuen Platte, als die Tour zum Vorgänger Rocket abgeschlossen war. Diesmal galt aber: Er wollte nicht möglichst viele Songs sehr schnell schreiben, sondern weniger Lieder, an denen er intensiver arbeitete.

Dieses Plus an Konzentration ist sehr hilfreich angesichts der oft nebulösen Inhalte der Songs und sorgt dafür, dass House Of Sugar ingesamt sehr stimmig bleibt. Das akustische Hope zeigt, wie gut es Giannascoli versteht, Kraft und Schwung mit Wärme und Charme zu vereinen. Near macht deutlich, wie sehr er die Wiederholung als Stilmittel schätzt, in diesem Fall nicht nur von Sounds oder Songpassagen, sondern auch von Wörtern und Silben. Er kann, wenn man die Texte ausblendet, ausnehmend niedlich klingen (Cow), verträumt, melancholisch und soft (Crime), aber auch angenehm träge wie in In My Arms (das die beste Textzeile des Albums enthält: „You know good music makes we want to do bad things“) oder ein Lied zugleich verstört und verstörend klingen lassen wie Sugar, in dessen Klaviermelodie eine eigentümliche Schönheit und bedrohende Kraft liegt.

Project 2 erweist sich als spannendes Instrumental. Taking unterstreicht, dass der Einsatz von Effekten bei (Sandy) Alex G nicht Spielerei ist, sondern von Anfang an als wesentlicher Bestandteil eines Songs mitgedacht wird. Durch diese Herangehensweise schafft es auch Gretel, psychedelisch zu werden, ohne selbstverliebt zu sein. In Southern Sky, das einen ungewöhnlichen Beat hat und auch sonst auf gute Weise eigenartig wird, erleben wir eine sehr freigeistige Interpretation von Cowboymusik. Noch besser passt für House Of Sugar vielleicht das Bild, das man bei Bad Man im Kopf haben kann: Giannascoli wirkt da wie ein Kind, das sich im Spielzeugladen an allen Elementen bedient, auf die es gerade Lust hat. Und das Ergebnis ist ein Abenteuer, für ihn selbst und für den Hörer.

Glücksspiel steht auch am Beginn des Videos zu In My Arms (das mit einer Wasserleiche endet).

Im Februar kommt (Sandy) Alex G auf Tour nach Deutschland:

17.2.2020 Wiesbaden, Schlachthof
20.2.2020 Hamburg, Molotow
22.2.2020 Berlin, Lido
4.3.2020 Köln, Bumann & Sohn

Website von (Sandy) Alex G.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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