Künstler | Say Yes Dog | |
Album | Voyage | |
Label | Diskodogs Records | |
Erscheinungsjahr | 2019 | |
Bewertung |
Man hatte Weltmusik befürchten müssen. Nach der Aufmerksamkeit, die Say Yes Dog für ihr Debüt Plastic Love (2015) erhalten hatten, ging die Band eifrig auf Tour. Aaron, Pascal und Paul spielten seitdem Festivals in Indien, Korea und Vietnam, außerdem unternahm das deutsch-luxemburgische Trio noch Reisen nach Japan und Ghana. Ihr zweites Album sei deutlich von den Eindrücken aus der Ferne geprägt, kündigten sie an, und der Titel Voyage unterstreicht das.
Von Pentatonik, Afrobeat oder anderen exotischen Einflüssen findet sich aber trotz dieser Vorzeichen wenig auf Voyage. Stattdessen haben Say Yes Dog die Stärken ihres Elektropops weiter verfeinert. Der größte Unterschied im Vergleich zum ersten Album und der zwischendurch vorgelegten EP A Friend: Es gibt hier mehr analoge Sounds, mehr Wärme, mehr Gefühl.
Ein besonders prominentes Beispiel dafür ist The Same, das die Platte abschließt. Die Ballade ist im Sound extrem reduziert, fast wie ein Demo, und im Gefühl innig. Golden Nights wird eher zu einer leicht schläfrigen Erinnerung an eine berauschende Nacht als ein Lied voller Glamour und Taumel. Wenn in Heartless als zentrale (und einzige) Zeile „I don’t want to be heartless“ erklingt, müssen sich die drei Jungs bei diesem Sound keinerlei Sorgen machen.
No Heart zeigt zwei weitere wichtige Eigenschaften von Voyage: In erstaunlich vielen Liedern spielt sich das Geschehen bei Say Yes Dog diesmal im Bett ab. Zudem ist der Bass in vielen Momenten ungewöhnlich prominent und ungewöhnlich kreativ, oft prägt er die Songs deutlich stärker als beispielsweise der Beat. Das zeigt sich in My Soul, wo der dominierende Synthie-Bass den Track von Anfang an tanzbar macht, der dann immer mehr Kraft entwickelt, aber in keinem Moment aufdringlich oder aggressiv wird. Lies bietet neben dem Versprechen „I don’t want to lie any more“ ein klasse Zusammenspiel aus Gesang, Bass und Synthesizer, später tatsächlich ein Gitarrensolo.
Für die nötige Abwechslung ist auch sonst gesorgt: Into You nutzt zwischendrin etwas Auto-Tune, Feel Better demonstriert etwas mehr Leichtigkeit, Schwung und Verspieltheit als die meisten anderen Songs der Platte und wird so zum Highlight. Der Bass in Sugar ist das härteste Element, das man auf Voyage zu hören bekommt, und das kontrastiert sehr wirkungsvoll mit dem „Sugar, sugar, sugar, sugar“, aus dem der sagenhaft softe Refrain besteht, bevor eine Kuhglocke dem Ganzen die Krone aufsetzt.
Am Beginn dieser Reise steht die Single Deep Space, und damit beweisen Say Yes Dog am deutlichsten, dass ihre Musik bei aller Zugänglichkeit weiter auch einen doppelten Boden hat. Man hört da die Stimme eines Manns aus dem Nasa-Kontrollzentrum, der den Start einer Raumfähre einleitet. Man könnte das als ein einigermaßen plumpes Bild für den Aufbruch in neue Welten betrachten, den die Band wohl auch für ihr Album anstrebt. Schnell zeigt sich aber: Was hier startet, ist die Challenger, und bekanntlich dauerte deren letzte Reise nur 73 Sekunden und kostete die gesamte Besatzung das Leben.
Say Yes Dog bauen damit einerseits ganz am Beginn ihres zweiten Albums auf sehr clevere Weise einen Vorbehalt ein, der besagt: Das hier kann schief gehen, Utopien können in einer Katastrophe enden. Zugleich vertonen sie den Reiz, der in dieser Utopie steckt: Es geht hinaus ins All, die Schwerelosigkeit kann man in Deep Space problemlos heraushören, mit etwas Fantasie lässt sich auch der Versuch erkennen, sich selbst Mut zuzusprechen und auszublenden, wie gefährlich diese Reise ist. Am Ende dieses Songs liegt eine große Romantik in der Idee, im All zu verglühen und für immer dort umher zu schweben, ohne selbst etwas davon mitbekommen zu haben – auch wenn Say Yes Dog ein ähnliches Schicksal mit dieser Platte bis auf weiteres nicht befürchten müssen.
Auch im Video zu Feel Better wagen sich Say Yes Dog zwischenzeitig ins All.
Live:
25.03. Hamburg, Prinzenbar
26.03. Köln, Bumann & Sohn
27.03. Berlin, Kantine am Berghain
24.04. Hamburg, Große Freiheit
26.04. Hannover, Capitol
27.04. Münster, Sputnikhalle