Film | Schattenwelt | |
Produktionsland | Deutschland | |
Jahr | 2008 | |
Spielzeit | 119 Minuten | |
Regie | Connie Walther | |
Hauptdarsteller | Franziska Petri, Ulrich Noethen, Tatja Seibt, Uwe Kockisch, Eva Mattes | |
Bewertung |
Worum geht’s
Mehr als 20 Jahre hat Volker Widmer im Gefängnis gesessen. Als er sich noch „Saul“ nannte und Mitglieder der RAF war, ging die geplante Entführung eines Bankdirektors schief, an der er beteiligt war. Am Ende war der Bankier tot, ebenso sein Gärtner, der ihm zur Hilfe eilen wollte. Der genaue Hergang des Verbrechens wurde nie geklärt, niemand außer den Tätern weiß, wer wirklich geschossen hat. Aber Saul musste als einziger von den drei Angreifern ins Gefängnis: Seine ebenfalls beteiligte Ehefrau sagte als Kronzeugin aus und tauchte dann in der DDR ab, ein weiterer Komplize starb. Zurück in der Freiheit, zieht Saul in einen Plattenbau in Freiburg, ohne Ambitionen, ohne soziales Umfeld, auch ohne die Anonymität, die er sich wünscht: Alle wissen, wer er ist und was er getan hat. Sein einziger Wunsch für die Zeit nach dem Knast ist es, seinen mittlerweile 30-jährigen Sohn Samy wieder zu sehen, der bei der Mutter aufgewachsen ist. Scheinbar zufällig schließt Saul immer nähere Bekanntschaft mit seiner Nachbarin Valerie, die ebenfalls von ihrem Kind getrennt ist, weil ihr das Sorgerecht für ihren Sohn entzogen wurde, den sie brutal geschlagen hat. Gemeinsam beschließen sie, nach Berlin zu fahren und Sauls Sohn zu suchen. Auf dem Weg dahin zeigt sich schnell: Die Verbindung zwischen ihnen ist keineswegs zufällig – und hoch brisant.
Das sagt shitesite:
Im Vorfeld hat bei Schattenwelt die Tatsache für das größte Aufsehen gesorgt, dass mit Peter Jürgen Boock ein tatsächlicher RAF-Terrorist am Drehbuch mitgearbeitet hat. Der Vowurf, der Film nehme deshalb womöglich die Perspektive der Täter ein oder überhöhe diese gar zu Rockstars (wie es etwa in Der Baader Meinhof Komplex gelegentlich tat), könnte kaum falscher sein. Sehr deutlich legt Regisseurin Connie Walther den Fokus auf die Opfer.
Nach der Premiere des Films waren es die äußerst ernüchternden Besucherzahlen, die in Erinnerung blieben. Schattenwelt deshalb als Flop zu betrachten, wäre ebenfalls grundverkehrt. Der Film ist herausfordernd, gerade zu Beginn. Zum einen muss sich der Zuschauer an die bleiche Ästhetik und die graue Farbwelt des Films gewöhnen (in die dann im weiteren Verlauf nach und nach mehr Farbe kommt). Zum anderen ist das Tempo anfangs ungewohnt niedrig. Ziemlich lange wird man im Unklaren über die Figuren und die Zusammenhänge zwischen ihnen gelassen. Dass daraus dann aber doch noch ein eindrucksvoller, kluger und sensibler Mix aus Drama, Psychogramm und sogar Thriller wird, ist dennoch unbestreitbar.
Ein entscheidender Pluspunkt dabei sind die sehr starken Schauspieler. Ulrich Noethen ist großartig als Saul, der im Gefängnis nicht nur Freiheit und Lebenszeit verloren hat, sondern auch seine Sicherheit im Alltag, vielleicht sogar seine Überzeugungen. Franziska Petri ist in einigen Szenen noch eindrucksvoller als vermeintlich Fremde, deren Neugier auf den neuen Nachbarn eine ganz andere Ursache hat als die Faszination einer jungen Frau für einen mutmaßlichen Mörder. Dass sie so gekonnt zwischen Verführung und Verhör, Unschuld und Unerbittlichkeit changiert, ist der Schlüssel für das Funktionieren dieses Films.
Genau dadurch erlangt Schattenwelt auch seine größte Stärke: Beim Blick auf Schuld, Rache und Buße gibt es keine klaren Linien und letztlich auch kein Urteill, mit dem der Zuschauer seine Moral bestätigt finden könnte. Alle beschuldigen sich gegenseitig – das gilt nicht nur für die drei RAF-Terroristen, die sich der Verantwortung für ihre Tat nicht stellen wollen. Es gilt auch für Anwälte und Polizei im Hintergrund, es gilt schließlich auch zwischen den Generationen, um die es hier geht. Wer ist unschuldig? Diese Frage lässt sich am Ende des Films kaum beantworten. Umso sicherer ist: Das Trauma des Terrors wirkt sehr lange nach, nicht nur die Täter und unmittelbaren Betroffenen sind davon gezeichnet. Das gilt in unterschiedlichen Ausmaß, unterschiedlicher Härte und unterschiedlicher Dauer, aber es gilt, und es ist den Protagonisten der Schattenwelt sogar klar: Als Ergebnis einer radikalen politischen Ideologie, die sich gewaltsam zum Recht und zur Macht verhelfen wollte, sind alle zu Opfern geworden.
Bestes Zitat:
„Wir sind wie früher. Es ist zum Kotzen.“
Der Trailer zum Film.
https://www.youtube.com/watch?v=MJxsYKvdNE0