von | Künstler*in | Search Yiu |
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| Album | SY | |
| Label | Search Yiu | |
| Erscheinungsjahr | 2021 | |
| Bewertung |   |
Weg von hier heißt ein Song auf dieser Platte, ein anderer hat den Titel Bye Bye. Doch Wegrennen, Fliehen oder Verabschieden ist keine Lösung, weiß Search Yiu, der bürgerlich Sören Hochberg heißt, aus Landau in der Pfalz stammt und nach einem Zwischenstopp in Leipzig jetzt in Berlin lebt. Vielmehr muss man sich Problemen stellen, analysieren, den Finger in die Wunde legen. „Ich habe gelernt, dass es mir besser geht, wenn ich mir die Zeit nehme, mich mit mir selbst zu beschäftigen. Auch wenn das banal klingt: Manchmal muss man erstmal lernen, sich das Glücklichersein selbst zu erlauben“, sagt er.
Das schon erwähnte Weg von hier ist ein gutes Beispiel dafür. Es geht darin nicht zwingend um eine Veränderung des Ortes, aber des Umfelds. Weg von schlechten Einflüssen und destruktiven Routinen, von Leuten, die einen runterziehen und Erinnerungen, die schmerzhaft sind. Der entsprechende Track ist einer der schwungvollsten und eingängigsten Momente auf SY, mit einer schicken Leichtigkeit à la Alle Farben, aber auch einer unverkennbaren Unruhe.
Auch sonst ist Mental Health das dominierende Thema auf dem zweiten Album dieses Künstlers, das er mit seinem langjährigen Kollaborateur Luka Seifert aka Rip Swirl produziert hat. Kein Wunder: Search Yiu betreibt gemeinsam mit Mia Morgan den Podcast „Mental Mall“ und spricht darin auch ausgiebig über seine eigene Borderlinestörung. So findet man auf SY sehr fragile Momente wie Lange her, bedrohliche Zeilen wie „Ich verliere meinen Verstand / und deinen gleich mit“ im vergleichsweise aggressiven Leer oder sehr satte Beats, die das Fundament für große Sensibilität bilden wie im erwähnten Bye Bye. Auch Mia Morgan ist dabei und steuert ein paar Strophen in Nie mehr bei. „Ich gebe dir nie mehr / was von meiner Zeit her“, heißt die zentrale Zeile darin, und das ist nicht an einen Menschen gerichtet, sondern eine Kampfansage an die Depression. Der Song findet im Sound eine schöne Entsprechung sowohl für die Antriebslosigkeit als auch für die Hoffnung, die mit dem Moment verbunden ist, wenn man die Lethargie überwinden kann.
Ohnehin glänzt Search Yiu mit viel Gespür für Atmosphäre, wozu auch etliche echte und zum großen Teil von ihm selbst gespielte Instrumente beitragen wie die Gitarre im Opener Denk, das Parallelen zu Das Paradies aufweist, auch wegen des rätselhaften Textes. Auch Werden Wie Du setzt auf eine prominente Gitarre, vereint Verspieltheit und Ambition, wird selbstmitleidig, aber auch ziemlich einzigartig, zumal im Deutschrap-Universum. In On und Off (entstanden gemeinsam mit BRKN) trägt ein Rhodes zur feinen Stimmung bei, zudem wird hier erkennbar, wie gekonnt Search Yiu seine Stimme für Klangmalerei einsetzt. An anderer Stelle nutzt er beispielsweise einen seltsamen Mini-Chor (Freitag) für ein Überraschungsmoment oder baut in Treat Yourself ein paar Sprachnachrichten von Mia Morgan und seinem ehemaligen Leipziger Mitbewohner Max Gruber, Journalistin Miriam Davoudvandi, Twitter-Scherzkeks El Hotzo und Rapper Rockstah ein, was einen sehr rührenden Effekt hat.
Selbstverständlich werden hier auch in einem Track namens Spaß noch ziemlich existenzielle Probleme gewälzt. „Wenn man Gefühle für Girls, aber plötzlich auch Boys hat, muss man erstmal lernen, dass das vollkommen normal und gut ist. Im Dorf bekommt man das anders beigebracht“, erzählt Hochberg zum Hintergrund des Stücks, das ihn ein bisschen wie einen deprimierten Cro klingen lässt. In Verliebt singt er von der „anderen Seite“, das kann natürlich ebenso auf Gender bezogen sein, vielleicht ist damit aber auch einfach das Glück gemeint, das hinter einem dunklen Vorhang oder einer tiefen Schlucht womöglich warten könnte. Wer nach SY (was durchaus verständlich wäre) Rotz und Wasser geheult und daraufhin mit einer wunden Nase und verlaufenem Make-Up zu kämpfen hat, bekommt übrigens auch gleich Hilfe von Search Yiu: Der Deluxe-Box des Albums ist eine von ihm entwickelte Gesichtscreme beigelegt.
