Künstler | Shearwater | |
Album | Jet Plane And Oxbow | |
Label | Sub Pop | |
Erscheinungsjahr | 2016 | |
Bewertung |
„I went to this temple and all these monks were chanting and I didn’t feel anything.“ Das sagt Charlotte an einer Stelle in Lost In Translation und dieses Zitat ist aus zwei Gründen der richtige Einstieg für diese Rezension.
Erstens haben Shearwater für Jet Plane And Oxbow mit Brian Reitzell zusammengearbeitet, dessen Schwerpunkt sonst Filmmusik ist (The Virgin Suicides, The Bling Ring und, jawohl, Lost in Translation). Er hat reichlich Ideen und Instrumente beigesteuert, nachdem Frontmann Jonathan Meiburg und Produzent Danny Reisch (der schon bei Animal Joy 2012 und Fellow Travelers 2014 dabei war) in Austin, Portland und Los Angeles die Grundlagen für diese Songs gelegt hatten. Im Ergebnis klingt das Werk größer, ambitionierter, auch kraftvoller als die bisherigen sieben Platten dieser Band.
Radio Silence ist ein gutes Beispiel dafür: Der von Schlagzeuger Cully Symington beigesteuerte Beat dominiert, das von Meiburg gesungene „I’m in disarray“ ist ebenso glaubwürdig wie das „I need it“. Auch der Opener Prime ist rhythmisch interessant, das dominierende Instrument könnte eine Harfe sein, gemeinsam mit dem gefühlvollen Gesang wirkt alles sehr gediegen, trotzdem entsteht großes Drama. Ein Song wie Filaments hätte vor 30 Jahren (Meiburg verortet die Platte rund um das Jahr 1980 und betrachtet es als „Protest-Album“) problemlos ins Repertoire von U2 oder den Simple Minds gepasst.
Zweitens ruft Jet Plane And Oxbow bei mir allerdings eine Reaktion hervor wie die von Charlotte nach dem Besuch im japanischen Kloster: Man weiß auf einer rationalen Ebene, dass es erhaben, besonders und bewegend sein woll, aber es passiert einfach nichts im eigenen Inneren. A Long Time Away macht diesen Effekt besonders deutlich: Die Musik ist interessant, vor allem durch den Kontrast zwischen dem klaren Beat und der abstrakten Gitarre, ebenso durch die ungewöhnliche Melodieführung und das überraschende, elektronisch geprägte Finale. Gepaart mit dem irgendwie leidenden Gesang scheint das alles unbedingt Intensität und Bedeutung vermitteln zu wollen, doch zumindest bei mir zündet es nicht.
Ich habe lange gerätselt, woran das liegen könnte, schließlich ist hier alles gut gemacht und gut gemeint, schließlich hatten mir die beiden Vorgänger durchaus gefallen. Die Lösung brachte die Single Quiet Americans. Es gibt dahin viel Vorwärtsdrang und der dazugehörige Gesang soll vielleicht wie David Bowie klingen. Stattdessen erinnert Jonathan Meiburgs Stimme aber (auch an etlichen anderen Stellen der Platte) vielmehr an Chris de Burgh, und das macht jegliche Chance auf Vergnügen zunichte. In den ruhigen Momenten wie dem schwelgerischen, vom Klavier dominierten Wildlife In America oder dem somnambulen Schlusspunkt Stray Lights At Cloud Hill wird das besonders eklatant, es ist aber auch in einem Lied wie Pale Kings nicht zu leugnen, das einen Mix aus Sendungsbewusstsein und Selbstmitleid an den Tag legt, den viele aufrechte Achtziger-Helden hatten, meinetwegen Midnight Oil.
Bezeichnenderweise ist das Stück am stärksten, in dem der Gesang nicht so weit in den Vordergrund rückt. Backchannels ist vom ersten Ton an spannend und bleibt das auch für mehr als sechs Minuten. Die Stimme treibt in diesem Fall nicht an und bremst nicht, sondern schwebt und tänzelt einfach auf dem packenden rhythmischen Fundament. Auch sonst zeigen Shearwater natürlich, was sie (für alle, die kein Chris-de-Burgh-Trauma haben) weiterhin zu bieten haben: Glass Bones vereint Theatralik mit einer Härte, die nie wirklich wild wird. Und Only Child beweist Mut zur Lücke, verliert aber dadurch keineswegs Spannung oder Kraft.