Single Mothers – „Through A Wall“

Künstler Single Mothers

Single Mothers Through A Wall Review Kritik
Schnell wie nie gingen die Aufnahmen zu „Through A Wall“ für die Single Mothers.
Album Through A Wall
Label Big Scary Monsters
Erscheinungsjahr 2018
Bewertung

„Auf Through A Wall habe ich versucht, meinen schwarzen Humor mit der Realität, die uns tagtäglich umgibt, zu verknüpfen.“ sagt Drew Thomson, Frontmann von Single Mothers, über die neue Platte. „Und das auf eine Art und Weise, die die Songs traurig und lustig und hoffentlich auch interessant macht – aber natürlich nicht super albern.“

Fast könnte man glauben, die Musik das Mannes aus Ontario, der gemeinsam mit Produzent/Percussionist Ian Romano den Kern der 2008 gegründeten Band bildet, sei erneut vergleichsweise zugänglich ausgefallen wie auf dem Vorgänger Our Pleasure oder wolle gar die etwas optimistischere Seite seines Charakters zum Vorschein bringen wie beim Soloprojekt The Drew Thomson Foundation. Diese Vermutung hat auf Through The Wall aber allenfalls ein paar Sekunden lang Bestand. Marathon eröffnet die Platte, man hört zunächst ein jubelndes Publikum, dann die recht lakonische Aufforderung „Shut up!“ und dann ein Post-Hardcore-Inferno, das 14 Lieder lang andauern wird.

„Ich verstehe, dass man in einer Zeit, in der jeden Tag nur krasse Scheiße passiert auch mal etwas Positives in der Musik braucht. Doch jedes Mal, wenn ich einen positiven Song schreibe, klingt er irgendwie falsch und erfunden. Manchmal muss man dem Ganzen einfach entgegentreten und darüber lachen oder einfach so lange die Augen verdrehen, bis es vorbei ist. Näher komme ich einem positiven Song einfach nicht“, sagt Thomson fast entschuldigend. Sein Bemühen darum kann man beispielsweise in Web erahnen, das zu einem Highlight der Platte wird, weil es nicht nur für etwas mehr Abwechslung sorgt, sondern auch innerhalb des Lieds mehr Komplexität bietet als der Durchschnitt der Songs auf Through A Wall. Auch Stoic/Pointless wird, zumindest musikalisch, solch ein Moment: Dieser Blick auf kaputte Beziehungen ist bei weitem nicht kraftlos, aber ein kurzes Durchschnaufen, das erstmals etwas Luft an diese Dauertirade lässt. Big Scar, in dem sich Thompson in die Rolle eines coolen Dads mit einem „Black Flag shirt under your day job drab“ fantasiert, könnte bei halber Geschwindigkeit vielleicht Eingängigkeit erkennen lassen.

Ganz oft allerdings – und Fans der Single Mothers werden wohl sagen: zum Glück – regiert die Wut wie in der ersten Single Switch Off. Abgeschaltet werden soll darin alles an der Welt, was fake, ungerecht und nervig ist. Später hat Catch & Release noch mehr Tempo und Wucht, sodass es geradezu furchteinflößend wird. Engine platzt beinahe vor Furor, Dog Parks ist ein knapp 90 sekündiges Auskotzen, der Titel mit dem schlichten Namen wird ein Urschrei, Tan Line (Like Passing Through A Wall) lässt die Metal-DNA der Band erkennen, Evidence Locker zeigt zum Ende des Albums, wie empörend es ist, wenn sich Menschen irgendwann wie Müll fühlen, weil sie ihr ganzes Leben lang wie Müll behandelt wurden.

Nach einem Song wie Signs möchte man die Musiker am liebsten in den Arm nehmen und besänftigen, könnte man nur den Mut aufbringen, sich an sie heranzuwagen – und wüsste man, wen man da eigentlich genau trösten soll, denn die Single Mothers sind, abgesehen von Thompson und Romano, ein personell sehr flexibles Konstrukt. „Die Tür steht immer offen“, sagt Thomson mit Blick auf potenzielle Mitstreiter. „Wir haben nur eine Bedingung: Die Songs müssen gut und du musst ein Freund sein. Dann kannst du jederzeit in der Band spielen. Once a mother, always a mother.“

Natürlich zeigt auch diese Platte, woraus sich Aufbegehren und Frust hier speisen: Neben den eigenen Problemen und Traumata ist das vor allem die Gedankenlosigkeit, mit der sich so viele Menschen in die Leere von Erwerbsleben, Konventionen und Mit-dem-Strom-Schwimmen werfen. Across The Couch versprüht ganz viel Gift und Galle dagegen (und daneben noch gegen Thomsons ehemalige Heimatstadt mit der Zeile „London always looked so pretty / But I don’t miss it anymore“), bei 24/7 beziehen die Single Mothers diesen Effekt auf ihr eigenes Metier, nämlich den Stumpfsinn des Tourlebens und die betäubende Langeweile von Plattenaufnahmen im Studio. „Where’s the passion? Where’s the heat?“, fragen sie darin – bei so viel Energie und einem Schlagzeug wie Artillerie-Beschuss ist das eindeutig nicht auf den eigenen Sound bezogen.

„Das war auf jeden Fall das schwierigste Album, das ich je geschrieben habe, aber auch das schnellste“, lautet Thomsons Fazit für Through A Wall. „Es ist das erste Single Mothers-Album, das ich geschrieben habe, seitdem ich trocken bin und der Alkohol mich ausnahmsweise mal nicht zum Schreiben inspiriert hat. Es fühlt sich so an als hätte ich einen Wendepunkt in meinem Leben erreicht, was es irgendwie zu einem viel persönlicheren Album macht.“

Ein Video-Doppelpack: Dog Parks und Switch Off.

Single Mothers bei Facebook.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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