Künstler | Skunk Anansie | |
Album | 25LIVE@25 | |
Label | Republic of Music | |
Erscheinungsjahr | 2019 | |
Bewertung |
„Das London der 1990er Jahre war eine bunte Mischung verschiedenster Menschen. Die Bands allerdings bestanden immer aus den gleichen vier Typen mit identischem Haarschnitt“, erinnert sich Ace, Gitarrist von Skunk Anansie, an die Anfangszeit der Band. „Wir hingegen waren eine Band aus Leuten, die real waren. Deswegen waren wir radikal.“
Man kann noch heute nachvollziehen, was er meint. Neben einem Sound, der ebenso brachial sein konnte wie einfühlsam, war da mit Skin eine Frontfrau, deren Stimme nicht nur einschüchtern konnte, sondern auch tatsächliche Schmerzen verursachen. Sie propagierte „Clit-Rock“ statt Britpop, als sich Skunk Anansie 1994 gründeten, und lebte diese Ideologie der Selbstbestimmung unabhängig von Hautfarbe, Geschlecht oder sexueller Orientierung am liebsten im Konzert aus. „Als schwarze Sängerin war es auf vielen Ebenen schwer, anerkannt zu werden. Wenn ich jedoch auf der Bühne stand, tat ich exakt das, was ich mir in meinen Träumen vorgestellt hatte“, erinnert sich Skin. „Zum ersten Mal fühlte ich mich in meinem Leben voll und ganz akzeptiert.“
Dass Skunk Anansie zum 25. Jubiläum ein Livealbum vorlegen, finden auch die anderen Bandmitglieder einleuchtend. „Auf der Bühne erwachen wir zum Leben und zeigen unsere Zähne”, sagt Bassist Cass. Schlagzeuger Mark Richardson hat vielleicht im Blick, dass die Band unmittelbar nach ihrem zweiten (!) Konzert einen Plattenvertrag bekam, wenn er ergänzt: „All das Gute von Skunk Anansie entstand nur, weil wir eine Liveband sind. Wir waren immer davon überzeugt, dass uns niemand besiegen kann. Ihr könnt es versuchen, aber ihr werdet es nicht schaffen!“
Die Besonderheit an 25LIVE@25 ist, dass es kein echter Konzertmitschnitt ist, sondern eine Zusammenstellung von Liveaufnahmen, die an unterschiedlichen Orten und zu unterschiedlichen Zeiten entstanden sind. Als Überblick über die Entwicklung der Band ist dieses Konzept natürlich sehr passend, tatsächlich decken die 25 Songs (ergänzt um einen Bonustrack) die ganze Karriere der Engländer ab. Ein erstaunlicher Effekt dabei ist, dass die Platte dennoch wie ein echtes Konzert klingt, durch ein geschicktes Tracklisting und das gelegentliche Berücksichtigen der Ansagen von Skin.
Charlie Big Potato eröffnet die Sammlung, die ersten Sekunden könnten von The Prodigy sein, danach lernt man innerhalb dieses einzelnen Songs schon die Quintessenz von Skunk Anansie kennen: Die Strophe ist heavy, im Refrain gibt es viel Sensibilität, der Sound vereint reichlich Rock mit etwas Elektronik und ein paar orchestralen Elementen. Eine weitere Schnittmenge wird ebenfalls schnell deutlich: Schmerz ist die wichtigste Zutat dieser Musik, wie etwa I Hope You Get To Meet Your Hero zeigt. „Every day hurts a little more“, heißt passenderweise die zentrale Zeile in Twisted.
Deutlich wird auch, dass Skunk Anansie – trotz zwischenzeitlicher Solokarrieren – ein sehr gleichbleibendes Qualitätsniveau gehalten haben. Ein Song wie das wuchtige My Ugly Boy macht klar, dass die Nicht-Hits oder kleineren Hits oft nicht schwächer sind als die großen Klassiker in ihrem Repertoire – sie sind bloß außerhalb des inneren Kreises von Fans nicht so bekannt geworden. Auch This Is Not A Game, das fast komplett von Skins Stimme getragen wird, das sehr schöne Squander, das hier den Fans gewidmet wird, oder die Aufnahme der Debütsingle Selling Jesus, die von der Band nach eigener Aussage zuvor mehr als 20 Jahre lang nicht mehr live gespielt worden war, zeigen die Stärke dieses Katalogs. Einzig Spit You Out fällt im Vergleich etwas ab und klingt vor allem in dem „Woohoo“-Teil ein bisschen gewollt eingängig. Hedonism zeigt, ebenso wie das vorangehende Weak hingegen, dass die atmosphärischen Details, die für die letzten paar Prozent der emotionalen Wirkung dieser Lieder notwendig sind, live mitunter verloren gehen können.
Because Of You zeigt ein weiteres Spezifikum von Skunk Anansie: Zur Direktheit gehört bei ihnen auch, dass es stets ein Objekt gibt, ein Gegenüber. Nichts ist ungefähr oder abstrakt, sondern Probleme, Ängste oder Missstände werden stets auf dieses Objekt bezogen. Am Ende des Lieds muss man sich Sorgen machen, Skin könne sich verbrennen an der eigenen Leidenschaft und Energie. Yes It’s Fucking Political wartet mit einem Riff auf, das auch Rage Against The Machine zur Ehre gereichen würde, Tear The Place Up erweist sich als lupenreiner Punk. Auch bei Little Baby Swastikkka muss man sich fragen: Wo nehmen diese Band und diese Sängerin die Wut her für mehr als 112 Minuten dieses Albums, für eine 25 Jahre währende Karriere?
In der Gesamtschau der 26 Tracks wird auch klar, wie offensichtlich und unmittelbar die Ästhetik dieser Band ist. Es gibt auf 25LIVE@25 wenige Lieder, die nach mehrfachem Hören eine zweite Ebene offenbaren. Intellectualise My Blackness stellt zudem heraus, wie wichtig der Bass hier schon bei der Komposition ist. Der Song ist ungewöhnlich im Sound, im Thema und nicht zuletzt im Vokabular. Die offenkundige Botschaft lautet: Wut und Diskriminierung lassen sich nicht wegdiskutieren, sie sind Gefühle und Tatsachen. Apropos Gefühle: Auch in ihren Liebesliedern sind Skunk Anansie durchaus eigensinnig. You Saved Me ist als Song über eine glückliche Beziehung die große Ausnahme. Sonst ist die Ausgangslage fast immer disparat und heißt entweder „Komm her, ich vermisse dich so sehr“ oder aber „Hau ab, du hast mich verletzt und ich ertrage dich nicht mehr“.
Der Bonustrack You’ll Follow Me Down schließt das Album ab und erinnert daran, dass akustische Balladen nicht die Spezialdisziplin von Skunk Anansie sind. Hier übertreibt es Skin auch beim Gesang, ihre Stimme will noch einmal all ihre Besonderheit zeigen und wird dabei dann doch anstrengend. Das Beste ist ihr Schlusswort, das die 25-jährige Geschichte dieser Band ebenfalls gut zusammenfasst: „Look out for each other! Support each other! And whatever you’re doing from tonight on: Resist!“