Slift Ilion

Slift – „Ilion“

Künstler*in Slift

Slift Ilion Review Kritik
„Ilion“ knüpft ziemlich direkt an den Vorgänger an.
Album Ilion
Label Sub Pop
Erscheinungsjahr 2024
Bewertung Foto oben: (C) Cargo Records

„Dies ist ein Album, das in der Art einer homerischen Geschichte aufgebaut ist“, sagen Slift über ihren dritten Longplayer Ilion. Das 2016 gegründete Trio aus Toulouse knüpft dabei klanglich und inhaltlich beim 2020er Vorgänger Ummon an, allerdings mit einem veränderten Ansatz. „Der Unterschied zwischen den beiden Alben besteht darin, dass es bei Ilion um menschliche Emotionen und Gefühle geht, während Ummon eine epische Geschichte mit Fernsicht erzählt. Ilion stellt den Untergang der Menschheit und die Wiedergeburt aller Dinge in Zeit und Raum dar.“

Welche Musik kann man erwarten, wenn die Themen so hochtrabend und die Attitüde so absolut sind? Vielleicht könnte man als Antwort auf diese Frage auf Free Jazz oder experimentelle Elektronik tippen. Jean (Gitarre) und Remí Fossat (Bass) sowie Canek Flores (Schlagzeug), den die Brüder schon seit gemeinsamen Schulzeiten kennen, zeigen hier aber, dass kein anderer Sound für die Umsetzung dieser Idee so gut geeignet ist wie harte Rockmusik. Slift bewegen sich auf Ilion irgendwo zwischen Psychedelik und Metal und entwerfen in acht Tracks (mit einer durchschnittlichen Dauer von knapp 9 Minuten) ein einzigartiges, beeindruckendes und erstaunlich abwechslungsreiches Panorama.

Ilion (das Album und der Titeltrack, der gleich am Beginn steht) ist nach dem altgriechischen Wort für die Stadt Troja benannt, und wie das Gemetzel auf dem berühmtesten Schlachtfeld der Antike klingt auch dieses Stück: Von Beginn an herrscht Inferno, aber es mangelt auch nicht an Finesse. Ohnehin zeigt das Trio hier immer wieder ein Talent für tolle Spannungsbögen, die Zeit zum Luftholen lassen, um dann mit noch mehr Macht zurückzukommen. In diesem Fall tragen etwa reichlich Wah-Wah-Gitarren, verfremdete Stimmen und ein nicht zu bändigender Bass dazu bei.

Das folgende Nimh zeigt, dass Hymnen nicht zwangsläufig himmlisch sein müssen (auch wenn der sphärische Zwischenteil dieses Attribut verdient hätte), sondern auch nach Hölle und Fegefeuer klingen können. The Words That Have Never Been Heard ist sehr typisch für Ilion mit seinem ständigen Auf und Ab zwischen Besänftigung und Eskalation. Uruk zeigt die Fähigkeit der Band, einmalige Atmosphären zu kreieren, der mysteriöse Album-Abschluss Enter The Loop hat etwas Science-Fiction-Charakter (Space Is The Key hieß 2017 die erste EP dieser Band, auch auf dem 2018 folgenden Debütalbum La Planeté Inexploreé spielte das Weltall noch eine wichtige Rolle), das instrumentale Confluence überrascht unter anderem mit einem Saxofon.

Dass Rock Hard hier „einen irrer Psychedelic-Trip im Cinemascope-Format“ entdeckt hat und zum Gesamturteil „tolldreist!“ kommt, leuchtet schon beim ersten Hören der Platte ein und wird mit jedem Durchlauf plausibler. Wie beispielsweise in Weavers‘ Weft getragener, sehr ernster Chorgesang mit einer manchmal fast sakralen Anmutung auf eine knüppelharte Urgewalt trifft, in der auch etwas Lust auf Chaos erkennbar wird, ist meisterhaft. The Story That Has Never Been Told ist 755 Sekunden lang und keine davon ist langweilig. Das erweist sich ohnehin als größte Stärke von Slift: Bei aller Virtuosität sind sie keine Selbstdarsteller, sondern einfallsreich und immer auf Spannung aus – manchmal sogar auf Eingängigkeit.

So klingen The Words That Have Never Been Heard.

Website von Slift.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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