Künstler | Sondaschule | |
Album | Schere, Stein, Papier | |
Label | BMG | |
Erscheinungsjahr | 2017 | |
Bewertung |
Kiffen macht doof. Ich habe schon an anderer Stelle darauf hingewiesen, aber das morgen erscheinende sechste Album von Sondaschule aus Mühlheim an der Ruhr ist ein weiterer treffender Beweis.
Die selbsternannten Ruhrpott-Rude-Boys liefern auch hier einen Mix aus Ska, Rock, Punk und Reggae, der von Rancid, NOFX, Sublime, The Mighty Mighty Bosstones oder Offspring geprägt zu sein scheint. Anders als auf dem Vorgänger Schön kaputt, der es 2015 in die deutschen Top 10 schaffte, werden sie diesmal aber viel stärker politisch. Und da fangen die Probleme an.
Sondaschule haben durchaus die richtigen Ansichten und das Herz am rechten Fleck, aber eindeutig zu wenig Hirn, um daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen. In Ostberlin kritisieren sie Abschottung aus Angst vor Flüchtlingen, Waffenschein bei Aldi entwirft ein Szenario, von dem wohl mancher Reichsbürger träumt, angetrieben von Bläser-Schmackes, den man sich auch gut von Farin Urlaubs Racing Team vorstellen könnte (auch wenn der wohl nie so plump „Mandy“ auf „Handy“ reimen würde).
Allerdings rückt der Protest nicht nur gelegentlich in Richtung Illegalität (Palermo verspricht eine Spritztour mit einem geklauten Auto bis nach Silzilien). Die Band erkennt auch nicht, dass ihre vermeintliche Individualität reichlich konventionell und uniform ist. Noch weniger scheinen die Mühlheimer gemerkt zu haben, dass ihr Weltbild erstaunliche Parallelen zu dem ihrer Gegner aufweist. Du und ich ist ein gutes Beispiel dafür: Die dumme Zeile „Ich hab Bock, hier alles abzufackeln“ kokettiert mit Revolte, der Rest des Textes erweist sich als Hymne auf den besten Freund, das Außenseiterdasein und die unbedingte Loyalität. Man müsste darin nur zwei, drei Wörter austauschen, dann würde das auch als Schlachtgesang für die Leute von Pegida taugen.
Woher diese Kurzsichtigkeit kommt, ist nicht schwer zu erschließen. Die erste EP der Band hieß Lieber einen paffen, der Sänger nennt sich Costa Cannabis, der Auftakt von Schere, Stein, Papier wird in Form von Amsterdam eine Kifferhymne im, wie originell, Reggae-Rhythmus. Das Leben sei Zu kurz um lang zu denken, behauptet einer der Songs, und diese Bildungsverweigerung ist das Kernproblem der Sondaschule. Natürlich darf man Kumpels und Überzeugung hochhalten und nach einem gesellschaftlichen Gegenentwurf streben, aber tatsächlich ist hier praktisch alles zu kurz gedacht.
Schmerzhaft wirkt sich das im an die Toten Hosen erinnernden Titelsong Schere, Stein, Papier aus, zugleich erste Single des Albums. Der Text ist pseudo-philosophisch, die Botschaft heißt sinngemäß „I did it my way“, und derart selbstgerechte Zeilen wie „Ich war immer ich selbst / zwischen Wahnsinn und Moral“ muss man dann auch erst einmal hinbekommen. Mond könnte zu den Dancehall-Dumpfbacken von Seeed passen, das gilt auch für Gold Digger, in dem die Lust auf Lautmalerei ausnahmsweise wichtiger zu sein scheint als der Inhalt. Nicht immer leicht scheint sich ebenfalls um Freundschaft zu drehen, vielleicht ist es auch ein Liebeslied, wie es von den Sportfreunden Stiller kommen könnte – in jedem Fall ist es langweilig genug für diesen Vergleich.
Am besten ist Schere, Stein, Papier bezeichnenderweise, wenn Sondaschule nicht das große Rad drehen wollen, sondern statt der gesellschaftlichen die individuelle und zwischenmenschliche Ebene avisieren. Das sehr kurzweilige Arschlochmensch gehört dazu, ebenso wie Mein Herz, dessen schöner Refrain von Suff-SMS und verleugnetem Liebeskummer erzählt. Goldene Tapete beschließt das Album als Ballade mit Klavier und Mundharmonika, vielleicht über die Stammkneipe von Sondaschule. Tipp für die Zukunft: Wenn ihr dort seid, pafft nicht so viel.