Speech Debelle Sunday Dinner On A Monday

Speech Debelle – „Sunday Dinner On A Monday“

Künstler*in Speech Debelle

Speech Debelle Sunday Dinner On A Monday Review Kritik
Familie ist ein wichtiges Thema auf „Sunday Dinner On A Monday“.
Album Sunday Dinner On A Monday
Label Monday Sessions Records
Erscheinungsjahr 2023
Bewertung Foto oben: (C) Beats International / Nigel R. Glasgow

Wer nach dem gefeierten Debütalbum 2009 (für Speech Therapy gab es damals den Mercury Prize als British Album) nicht mehr viel von Speech Debelle gehört hat (und das dürfte hierzulande wohl selbst auf viele Fans mit Vorliebe für Urban-Sounds aus London zutreffen), wird sich beim übermorgen erscheinenden Sunday Dinner On A Monday zunächst vielleicht wundern. Nicht nur wird im Albumtitel eine Mahlzeit erwähnt, sondern auch der erste Track Curry Mutton handelt vom Essen.

Die Fans der Künstlerin, die bürgerlich Corynne Elliot heißt, werden weniger überrascht sein. Schließlich hat sie nach Freedom Of Speech (2012) einige Jahre überhaupt keine Musik gemacht. Stattdessen war sie unter anderem als Kuratorin einer Ausstellung von Kunstwerken von Gefangenen tätig und hat einen wöchentlichen Podcast gestartet, außerdem war sie sehr erfolgreich als Teilnehmerin der Promi-Kochshow Celebrity MasterChef. Folglich brachte Speech Debelle parallel zu ihrem dritten Album Tantil Before I Breathe (2017) ein eigenes Kochbuch und ihre Memoiren heraus, in denen sie ebenfalls herausstellte, dass „Musik und Essen Kunst sind – sie heilen und inspirieren“.

„Cooking is alchemy, it’s a science to add layers to a recipe“, heißt es nun in Curry Mutton, das man tatsächlich als vertonte Kochanleitung begreifen kann, auch wenn es Speech Debelle schafft, dabei auch Bezüge zu schwarzer Geschichte und Sex einzubauen. Das bleiben dann auch in den folgenden Tracks wichtige Themen auf Sunday Dinner On A Monday. Beispielsweise betont sie in SUSU, dass sie hierher gehört (niemand sollte ihr Recht darauf anzweifeln) und zugleich weiß, wo sie herkommt (jeder sollte seine Wurzeln kennen). Das recht muskulöse DNA besingt eine verstorbene Person mit mehr Stolz als Trauer („Because when they’re gone, they’re gone / so while they’re here, let’s cheer / for all the people that make our hearts at home“). Gleich vier Mal kommt in den Songtexten des Albums das Wort „ancestor“ vor, Cover und Booklet der Platte sind mit Familienfotos gestaltet.

Das komplexe Bless Us wird ambitioniert, aber nicht angeberisch, und feiert recht explizit die Liebe, ebenso emotional und selbstlos („I pray that you’re protected by a higher power“) als auch ganz und gar fleischlich. Ähnlich wird Ital (mit Baby Sol): Der Sound ist auf angenehme Weise nervös, der Text handelt von der befreienden, erlösenden, gesunden Kraft der körperlichen (lesbischen) Liebe.

Die größte Stärke von Sunday Dinner On A Monday ist nicht nur der immer wieder sehr originelle Zugang zu diesen Themen, sondern die große Souveränität, die Speech Debelle hier an den Tag legt. Ihr Rap ist oft entspannt und doch entschlossen, sie kann in 101010 eine tolle Balance aus Punch und Geheimnis, Aggressivität und Eigensinn schaffen, sie kann in Come Your Way Entspanntheit und Biss zeigen, sie kennt Enttäuschungen und Verletzungen, aber keine Bitterkeit. Das beste Beispiel dafür ist 11:11: Die Musik baut ein paar dezente Electro-Elemente ein, bewährt sich dabei aber einen sehr warmen, angenehmen Vibe, der Text feiert das eigene Selbstbewusstsein. „I’m a living legend in this“, stellt Speech Debelle fest – und liefert in diesem Track und auch auf dem Rest der Platte tatsächlich Rhymes, die diesen Satz rechtfertigen.

Mal klingt sie hier sehr elegant (Magic), mal gibt es einen vergleichsweise mächtigen Beat (Exercise), die Sounds überraschen dabei immer wieder wie mit der spanischen Gitarre, die zur Grundlage von Wayward wird, oder den filigranen Holzbläsern, die in Sweet Dreams auf einen schwindlig machenden Electro-Track treffen. Der Song ist ganz klar eine Kampfansage und Speech Debelle legt viel Leidenschaft in ihre Stimme, aber sie ist in keinem Moment auf Krawall gebürstet.

Die einzigen Schwachpunkte der Platte sind A Reading, in dem der etwas zu aufdringliche Gastauftritt von Dylema die reduziert-sinnliche Atmosphäre zerstört, und Atlantis, das zwar viele gute Einfälle stimmig zusammenführt, aber etwas zu lang wird. Ein Highlight ist hingegen das sanfte Away From Here (erneut feat. Baby Sol), das an Acts wie Lauryn Hill, En Vogue oder Erykah Badu erinnert. Speech Debelle macht hier das, was sie letztlich seit Beginn ihrer Karriere macht: Sie formuliert ihren Anspruch auf Glück und Respekt, und das klingt ganz wunderbar.

Aus dem Schatten treten sollen wir wohl im Video zu Wayward.

Website von Speech Debelle.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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