Künstler | Stereophonics | |
Album | Scream Above The Sounds | |
Label | Parlophone | |
Erscheinungsjahr | 2017 | |
Bewertung |
Wer hätte das gedacht? Die Stereophonics, zur Blütezeit des Britpop immer irgendwie im Schatten von cooleren, schlaueren oder schlicht erfolgreicheren Bands, haben mit Scream Above The Sounds gerade ihr zehntes Studioalbum veröffentlicht, 20 Jahre nach dem Debüt. Sänger Kelly Jones hat diesmal auch produziert, und die Fans lieben die Band aus Wales offensichtlich immer noch: Das Album erreichte Platz 2 in den UK-Charts und Goldstatus.
Fast noch erstaunlicher als diese Langlebigkeit einer Band, die man zu Zeiten von The Bartender And The Thief noch als Trittbrettfahrer betrachten konnte, ist die Kreativität, die in dieser Platte steckt. Scream Above The Sounds beginnt mit der Single Caught By The Wind, und die klingt tatsächlich nach Optimisus und Initiative, nach Entdeckergeist und Abenteuerlust. Der Song ist eingängig, ohne sich anzubiedern; ehrgeizig, ohne zu verkrampfen – ein ganz starker Start. Von diesem Kaliber haben die Stereophonics noch einige weitere Songs zu bieten: Taken A Tumble ist ein solider Rocksong im Stile von John Mellencamp oder Bryan Adams, auch der Album-Abschluss Elevators mit seinem guten Refrain ist eine runde Sache und erstaunlich amerikanisch.
Cryin‘ In Your Beer setzt auf etwas Glamrock, Before Anyone Knew Our Name ist eine wehmütige Erinnerung an einen verlorenen Weggefährten, nur mit Klavier und Gesang. Gelegentlich wird Scream Above The Sounds sogar etwas experimentell: Der angejazzte Sound im epischen What’s All The Fuss About? funktioniert erstaunlich gut und wird nie so eitel, wie es bei Zutaten wie Besenschlagzeug und Trompetensolo allzu leicht passieren könnte. Chances Are hat (neben einem kurzen Ausflug in Richtung Dire Straits) eine ungewöhnliche Struktur, die auf einen richtigen Refrain verzichtet. All In One Night setzt auf einen elektronischen Beat und Stroytelling: Die Geschichte dieser äußerst ereignisreichen Nacht beginnt mit einer Party und endet mit einer Geburt, allerdings ist das Lied deutlich langweiliger als dieser Plot.
Nach wie vor haben die Stereophonics ihre Schwächen, nicht nur in diesem Lied. Das vergleichsweise harte Geronimo hat ein gutes Riff, ist aber etwas affektiert. Boy On A Bike, nur zu akustischer Gitarre und Gesang vorgetragen, wird der peinliche Tiefpunkt der Platte: Der Song handelt von einer undefinierbaren Angst – statt diese als Geheimnis oder Herausforderung zu thematisieren, endet er aber in Selbstmitleid. Insgesamt steht solchen Fehlgriffen auf Scream Above The Sounds aber ein erstaunliches Maß an Kraft, Können und Spaß gegenüber, erst recht für eine Band, die seit einem Veierteljahrhundert zusammen spielt. Would You Believe? ist vielleicht der Song, der diese Zwiespältigkeit auf den Punkt bringt. Kelly Jones singt davon, nichts dazugelernt und wieder Mist gebaut zu haben. Darin steckt aber auch ein Element der Erkenntnis: Es ist schön, dass das Leben diese Möglichkeit eines weiteren Ausrutschers noch bietet – statt bloß noch aus todsicheren Routinen zu bestehen.