Sufjan Stevens Albumkritik

Sufjan Stevens, Timo Andres, Conor Hanick – „Reflections“

Künstler*in Sufjan Stevens, Timo Andres, Conor Hanick

Sufjan Stevens Reflections Review Kritik
„Reflections“ ist sie sechste Ballett-Musik von Sufjan Stevens.
Album Reflections
Label Asthmatic Kitty
Erscheinungsjahr 2023
Bewertung ohne Wertung Foto oben: (C) Cargo Records

Macht man bei Google eine Bildersuche nach Sufjan Stevens, dann findet man den 47-Jährigen in diversen Posen und Situationen. Man sieht ihn mit Banjo, Akustikgitarre und E-Gitarre, mit Miley Cyrus und Johnny Greenwood (Radiohead), mit Engelsflügeln und Cowboyhut. Was man, zumindest ohne allzu weit zu scrollen, nicht findet: ein Bild von Sufjan Stevens am Klavier. Dabei schätzt er dieses Instrument ungemein, wie er sagt: „Obwohl ich nie Unterricht genommen habe, war das Klavier meine erste große Liebe.“

Das ist ein bisschen gemein gegenüber der Gitarre, die (siehe Google-Suche) sein Image so sehr prägt, und gegenüber der Oboe, die kurz nach seiner Grundschulzeit tatsächlich das erste Instrument war, das er zu spielen lernte. Es liefert aber die beste Erklärung dafür, warum dieser Künstler nun Reflections gemacht hat. Man kennt ihn als Indie-Folk-Helden, der Beiträge zu Tribute-Alben für Joni Mitchell und Jeff Buckley geliefert, mit Singer-Songwriterin Rosie Thomas und den Jungs von The National gearbeitet hat. Aber er hat seit frühester Kindheit auch eine Vorliebe für klassische Musik, die nach seinen Worten auch sein gesamtes Schaffen beeinflusst hat. „Ich lernte nach dem Gehör, auf eine sehr rudimentäre Art und Weise, inspiriert von einem breiten Spektrum an Musik. Vieles von dem, was ich komponiere, ist anachronistisch, da es keiner Genealogie der Ästhetik folgt. Es kann ein Füllhorn von Stilen sein.“

Um diese Vielfalt von kreativen Möglichkeiten auszuleben, hat er immer wieder auch mit dem Choreographen Justin Peck gearbeitet und Musik für dessen Ballett-Stücke geschrieben, nämlich bei Year Of The Rabbit (2012), Everywhere We Go (2014), In The Countenance Of Kings (2016), The Decalogue (2017 aufgeführt, zwei Jahre später auch als Platte veröffentlicht) und Principia (2019). Auch Reflections steht in dieser Reihe: Sufjan Stevens Partitur für zwei Klaviere wurde ursprünglich vom Houston Ballet in Auftrag gegeben, Pecks Choreografie mit elf Tänzer*innen hatte am 21. März 2019 Premiere.

Für die Studioaufnahme haben Timo Andres und Conor Hanick die Musik eingespielt, als Referenzen benennt die Plattenfirma neben zeitgenössischen Künstlern wie Bruce Hornsby und Minimal-Music Pionieren wie Philip Glass auch Klassiker wie Debussy, Strawinsky und Mozart. Natürlich hat Shitesite von derlei Musik keine Ahnung, deshalb erfolgt oben auch keine Wertung. Was sich jedoch sagen lässt: Wie das Werk eines Autodidakten (sowohl am Klavier als auch in der Komposition) klingen die sieben Stücke rund um die Themen „Energie, Licht und Dualität“ in keinem Moment. Und an ein paar Stellen schimmern Qualitäten durch, die auch in anderen Genres die Musik von Sufjan Stevens auszeichnen.

Die Single Ekstasis eröffnet die Platte sehr lebendig, manchmal gar übermütig, bevor der Track in der letzten Minute dann etwas ruhiger wird. Rodinia entwickelt sich genau umgekehrt: Bis zur Hälfte klingt es sanft, um dann immer mehr Energie zu finden. Der elegante Quasi-Titelsong Reflexion ist das hübscheste Stück des Albums, der Abschluss And I Shall Come To You Like A Stormtrooper In Drag Serving Imperial Realness hingegen so durchgeknallt, wie dieser Titel es vermuten lässt.

Revanche beginnt alarmiert und schwankt dann in den knapp fünfeinhalb Minuten Spielzeit immer wieder zwischen geheimnisvoll und plakativ. Bei Euphoros kann man sich tatsächlich wunderbar vorstellen, wie jemand dazu tanzt („Ich denke ständig über Körper nach, die sich durch den Raum bewegen, wenn ich für das Ballett schreibe – das ist es, was diese Musik in erster Linie beeinflusst hat“, sagt Sufjan Stevens). Das beschauliche Mnemosyne wirkt am meisten wie ein Dialog der beiden Instrumente, wohingegen man in anderen Stücken mit nicht Klassik-erprobten Ohren eher den Eindruck haben kann, die beiden Klavier spielten einfach nebeneinander her oder gar gegeneinander an.

Timo Andres und Conor Hanick spielen Ekstasis.

Website von Sufjan Stevens.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

Alle Beiträge ansehen von Michael Kraft →

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.