Sumie – „Lost In Light“

Künstler Sumie

Sumie Lost In Light Review Kritik
„Lost In Light“ wäre beinahe nicht zustande gekommen.
Album Lost In Light
Label Bella Union
Erscheinungsjahr 2017
Bewertung

Abschiede sind das wichtigste Motiv auf Lost In Light, dem zweiten Album von Sandra Sumie Nagano alias Sumie. Schon die Songtitel zeigen das: Leave Me heißt ein Stück, das vom Morgen danach handelt, Walk Away beschließt das Album sehr filigran und atmosphärisch meisterhaft, in Blue Lines schaut der Protagonist einer davonfahrenden Fähre nach, und man ahnt, dass er dabei einen Kloß im Hals hat.

Im Nachgang ihres hoch gelobten Debüts aus dem Jahr 2013 hätte sich die Schwedin beinahe auch selbst verabschiedet, und zwar von ihrer gerade erst begonnenen Musikkarriere. „Nach dem ersten Album war ich ein bisschen erschöpft“, sagt Sumie. „Dieses Debüt war sehr persönlich und ich war stolz darauf, es hervorgebracht zu haben. Ich war aber trotzdem nicht auf diesen Moment vorbereitet, obwohl ich damals fast schon 40 war. Ich bin eine sehr ruhige Person, und die Nachwehen dieser Platte habe ich sehr deutlich gespürt, manchmal zum Guten, manchmal zum Schlechten. Es war nie beschlossene Sache, dass es eine zweite Platte geben würde.“

Nicht nur Fans werden froh sein, dass sie dann doch den Mut und das Material gefunden hat, um gemeinsam mit Produzent Filip Leyman in Göteborg Lost In Light aufzunehmen. Freimütig hat sie dabei auch Inspiration außerhalb ihrer unmittelbaren Erfahrung herangezogen. Divine Wind beruht auf einem schwedischen Gedicht von Daniel Klevheden, ihre Umsetzung in Liedform wird sehr innig und klingt fast wie eine Beschwörung. Miranda Julys Roman The First Bad Man gab ihr den Anstoß zum hoch eleganten The Only Lady.

Auch musikalisch gibt es einen etwas erweiterten Horizont. So lässt Pouring Down eine Affinität zu Jazz erahnen, im Album-Auftakt Fortune überrascht eine einsame E-Gitarre, die von nur ein paar vom Bass gesetzten Tupfern begleitet wird, auch Peter Broderick als Gast hält sich im Hintergrund. In Frö strahlt die Stimme von Sumie am hellsten, zusätzlich sorgen die sehr schönen Streicher für Glanz.

Das vom Klavier getragene und um ein klasse Trompetensolo angereicherte Night Rain ist das schönste Lied auf Lost In Light. „Ich habe eine sehr bildliche Vorstellung von jedem Song. Die Lieder bilden so etwas wie eigene Schauplätze, von Anfang bis Ende, auf einer großen, flackernden Leinwand in einem alten, wunderschönen Kino“, sagt Sumie. Hier erkennt man am besten, wie sie das meint: Den von ihr besungenen Nachtregen sieht man wirklich vor sich, ebenso wie das Pflaster einer einsamen Stadt, auf die er tropft – höchstwahrscheinlich vermischt mit den Tränen von unglücklich Liebenden.

Das Video zu Fortune würde auch sehr gut in ein altes Kino passen.

Fortune from Sumie on Vimeo.

Website von Sumie.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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