Susanne Blech Welt verhindern

Susanne Blech – „Welt verhindern“

Künstler*in Susanne Blech

Susanne Blech Welt verhindern Review Kritik
Prominente Gäste haben Susanne Blech für „Welt verhindern“ gewonnen.
Album Welt verhindern
Label Cat In The Box
Erscheinungsjahr 2014
Bewertung Foto oben: (C) Katrin Bauer PR / Bernhard Handick

Es gibt so einige Probleme bei der Betrachtung von Susanne Blech. Die 2004 gegründete Band aus der Rhein-Ruhr-Region ist arg selbstverliebt und in keinem Moment so edgy oder gefährlich, wie sie gerne wäre. Sie will auf ihrem dritten Album Welt verhindern unbedingt maximal modern sein, und mit einem Abstand von knapp acht Jahren merkt man nun bereits, wie schnell dieser Sound gealtert ist. Am dramatischsten für sie ist aber, dass es schon Egotronic gibt – und dass die Berliner dieses Metier eben eingängiger, cleverer und mitreißender beherrschen.

Die stilistische Nähe streiten Susanne Blech gar nicht ab, im Gegenteil: Auf ihrem 2012er Album Triumph der Maschine gab es ein Feature von Egotronic. Diesmal haben sie für den Titeltrack die Unterstützung von Johannes Rögner (aka Strizi Streuner) gewonnen, dem Sänger der ebenfalls artverwandten Band Frittenbude. Das Ergebnis rund um das Credo „Niemand kann irgendwann irgendwas retten. Nur noch alles verhindern, das geht.“ klingt nun eben tatsächlich wie Frittenbude, oder eben wie Egotronic / Mediengruppe Telekommander / Hund am Strand. Es fehlt allerdings der Touch an Individualität, den die vorgenannten Acts dann doch irgendwie hinbekommen haben.

Auch die anderen Features der Platte lassen zumindest in der Tracklist aufhorchen. Bei Killer Is A Man Who Don’t Fuck With The Music darf Turbo B. ran, der einst als MC bei Snap etlichen großen 90s-Hits seine Stimme verliehen hat. Der Track wird dann auch eine zumindest kurzweilige Eurodance-Hommage. Bei zwei Liedern hat Benjamin von Stuckrad-Barre am Text mitgearbeitet, beide Songs gehören ebenfalls zu den stärkeren Momenten auf Welt verhindern. Ordentlich viel Wahnsinn steckt in Die Katzen von Beate Zschäpe, der Sound setzt unter anderem auf eine funky Gitarre und einen Discobeat und kurz hat man den Verdacht, dass es vielleicht einfach bloß eine interessantere Gesangsstimme bräuchte, um Susanne Blech überzeugender zu machen. Wir werden alle nicht Ernst Jünger ist textlich etwas weniger assoziativ und musikalisch erfreulich vielschichtig.

Ansonsten setzt das Sextett aus Produzent Sebastian Johannes Maier, Texter und Sänger Timon Karl Kaleyta, den Zwillingsbrüdern Jens und Kay Schilling sowie dem MC- und Produzenten-Duo Sola Plexus (also den Brüdern Jerome und Jobin Vazhayil) auf einen Sound, wie man ihn prototypisch sogleich im Opener Messer aus Kerzen findet: Das ist Electropunk, irgendwo zwischen Enter Shikari, Deichkind, Does It Offend You, Yeah? und eben Egotronic, mit nicht ganz so viel Bums im Klang, nicht ganz so viel Poesie/Witz im Text und nicht ganz so viel Provokation in der Attitüde.

Manhattan wird anstrengend, wirr und selbstgerecht, Aktenzeichen Internet wirkt ein bisschen, als würde eine Band aus ziemlich alten Offline-Männern sich über die Omnipräsenz dieser seltsamen neuen Sache lustig machen wollen und dabei zwischendurch auch noch ganz bewusst in eine dunkle Sackgasse abbiegen, auf deren Einfahrt „Modern Talking“ steht. Beim Bonustrack Zerliebte Jungs ist der Songtitel schon eindeutig das Beste daran. Das recht harte Schick mir ein Fax ist wieder so ein Fall, der bedeutsam und deep klingen soll, obwohl man schnell erkennen kann, wie wenig Susanne Blech hier zu sagen haben.

Neben solchen Fehlgriffen stehen auf Welt verhindern ein paar halbgare/mittelprächtige Nummern wie Liebe Neue Deutsche Welle, das eingangs Blue Monday von New Order zitiert, oder 1.000 Jahre Kraftwerk, das womöglich ein Diss-Track sein soll, in jedem Fall die Tatsache ins Visier nimmt, dass nichts mehr schief gehen kann, wenn du es einmal in den Kanon geschafft hast – weil niemand mehr merkt (oder sich niemand mehr traut, darauf hinzuweisen), wenn du nur noch Mist produzierst.

In Alle Antennen dieser Welt heißt die Lösung gegen Overkill aus Web, TV und Radio nicht etwa Medienkompetenz, sondern Rückzug und Abstinenz. Das Ergebnis wird wieder etwas krude, aber in jedem Fall interessant. Das Geld wirft vielleicht einen Blick auf Phänomene wie mit Steuergeldern gerettete Banken und „too big to fail“-Narrenfreiheit, der Sound dazu ist schön kalt und angemessen aggressiv. Hände hoch, Feuerwehr! ist plakativ, wirkungsvoll und lebt von einer feinen Eskalation bis hin zu einem waschechten Gitarrensolo. Ihren besten Moment haben Susanne Blech ausgerechnet als iTunes Bonus Song versteckt: Alles an ist beinahe purer Techno und tatsächlich ein Kracher.

Prominente Gäste gibt es auch im Video zu Welt verhindern.

Webseite von Susanne Blech.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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