Suzanne Vega – „An Evening Of New York Songs And Stories“

Künstler Suzanne Vega

Suzanne Vega An Evening Of New York Songs And Stories Review Kritik
Ihre Heimatstadt feiert Suzanne Vega mit einer intimen Liveplatte.
Album An Evening Of New York Songs And Stories
Label Cooking Vinyl
Erscheinungsjahr 2020
Bewertung

Wenn Besucher nach New York kommen, verlieben sie sich meist in die Stadt, hat Suzanne Vega beobachtet. Sie besingt diesen Effekt in New York Is A Woman und schildert den Big Apple darin wie eine faszinierende, gefährliche, vielseitige, abgründige Herzensbrecherin. Sie hat das in gewisser Weise selbst erlebt. Im Alter von 18 Monaten kam sie in die Stadt, die ihr längst nicht nur als Heimat ans Herz gewachsen ist, sondern auch Schauplatz vieler ihrer Lieder wurde, seit sie 1985 ihr erstes Album veröffentlicht hat. Für An Evening Of New York Songs And Stories hat sie einige davon zusammengetragen und Anfang 2019 live auf die Bühne des Café Carlyle gebracht.

„Es ist immer eine Freude, dort zu spielen. Es ist ein kleiner exklusiver Club, in dem Legenden von Eartha Kitt bis Judy Collins aufgetreten sind, und es ist auch bekannt, dass Jackie Kennedy hier Audrey Hepburn kennengelernt hat. Ich liebe es für seinen Boheme-Glamour der alten Welt“, sagt die zweifache Grammy-Gewinnerin. Mit „Welcome to Carlyle“ eröffnet sie nun den Abend, dann beginnt Marlene On The Wall mit erstaunlicher Beiläufigkeit, bevor das besonders einfühlsame Gitarrensolo das erste Highlight der Platte wird. Die Band, bestehend aus Gitarrist Gerry Leonard, Bassist Jeff Allen und Keyboarder Jamie Edwards, ist hier durchweg glänzend aufgelegt und findet immer wieder fantasievolle und behutsame neue Arrangements für viele dieser Lieder. Gerry Leonard, der die Platte auch produziert hat und ein langjähriger Wegbegleiter von Suzanne Vega sowie von David Bowie, Laurie Anderson oder Cyndi Lauper ist, sticht dabei besonders hervor. So reichert er Luka um eine reizvolle neue Gitarrenfigur an, der Song bleibt auch damit noch immer erstaunlich nüchtern vorgetragen und gerade deshalb so erschütternd.

Das sehr hübsche Gypsy zeigt die Folk-Ursprünge von Suzanne Vega, Cracking wird luftig und reduziert, Anniversary besonders introspektiv, Pornographer’s Dream schwankt zwischen Latin und Jazz, mondän und elegant. Die zu Frank And Ava gehörenden Nachnamen sind Sinatra und Gardner, die dazugehörige Geschichte erzählt von einer leidenschaftlichen Affäre und einem hitzigen Streit. Der Song bietet zugleich eine Lehre, die sich für alle Beziehungen ableiten lässt: „It’s not enough to be in love.“ Das komplexe Some Journey zeigt vieles von dem, was Suzanne Vega kann, vor allem ihr Talent als Storytellerin. Ludlow Street wirkt gleichzeitig modern und zeitlos, auch in der Ausgelassenheit der Zugabe Tombstone kann man eine sehr aktuelle Ästhetik erkennen, die sich bis zu beispielsweise Courtney Barnett fortführen lässt.

Tom’s Diner erweitert noch einmal die Überarbeitungsideen von DNA, die aus der ursprünglichen acappella-Fassung einen Hit gemacht haben, sodass der Song enorm lebendig bleibt, Freeze Tag könnte von Simon & Garfunkel sein (die bekanntlich auch aus New York kommen und ihre Stadt gerne besungen haben), in New York Is My Destination wird das Thema des Abends besonders explizit. Das Stück, ursprünglich auf dem Album Lover, Beloved über die Südstaaten-Autorin Carson McCullers erschienen, klingt hier zwar etwas eitel und ein bisschen zu sehr nach Lounge, entschädigt dafür aber mit der klasse Zeile: „New York is made for greater things / just like me.“

Mit Walk On The Wild Side gibt es noch einen Gruß an „meinen verstorbenen, großartigen Freund Lou Reed“, der ihr gezeigt habe, was Rock’N’Roll alles sein kann, wie Suzanne Vega hier in ihrer Ansage erzählt. Ihre Version seiner Vorlage klingt so, wie eine gute Coverversion sein soll: inspiriert und respektvoll, aber nicht in Ehrfurcht erstarrt. Thin Man beendet An Evening Of New York Songs And Stories, die Künstlerin kündigt es als „Exit Music“ an, und tatsächlich klingt der Song dann eher nach Abspann denn nach einem großem Finale. Letztlich passt das aber bestens zum entspannten, selbstbewussten Ansatz der Platte und der Grundstimmung eines schönen Abends unter Freunden: Nicht nur die Songs sind gut, sondern auch das Konzept funktioniert blendend.

Das Video zu Walk On The Wild Side ist eine hübsche Collage.

Website von Suzanne Vega.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

Alle Beiträge ansehen von Michael Kraft →

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.