Künstler | Tallulah Rendall | |
Album | Alive | |
Label | Transducer Records | |
Erscheinungsjahr | 2011 | |
Bewertung |
Lost On The Way heißt das letzte Lied auf dieser Platte. Es klingt etwas eleganter als der Rest von Alive, als habe sich Tallulah Rendall zum Abschluss ihres zweiten Albums noch einmal richtig in Schale geworfen. Es ist aber vor allem ein Titel, der kein bisschen zu dieser Sängerin zu passen scheint: Die Engländerin war eine der Pionierinnen für Wohnzimmerkonzerte und Crowdfunding in ihrer Heimat und zählt beispielsweise James Blake und Shirley Bassey (sie durfte auf ihrem 70. Geburtstag singen) zu ihren Bewunderern. Sie hat ihre eigene Plattenfirma gegründet, auf der mittlerweile drei Alben von ihr erschienen sind, jede dieser Platten zudem von einem Buch begleitet, das nicht nur ihre Texte enthält, sondern auch weitere Geschichten und viele Illustrationen. Tallulah Rendall liebt auch live die Herausforderung: Wer sie für ein Konzert buchen möchte, steigert seine Chancen enorm, wenn es an einem außergewöhnlichen Ort stattfindet, sagt sie. Das klingt nicht gerade nach jemandem, der leicht vom Weg abkommt.
Verloren fühlte sie sich trotzdem, als sie 2010 von der Tournee für ihr Debütalbum Libellus zurückkehrte. Seelisch und körperlich war sie völlig ausgelaugt, unter anderem durch Qigong sammelte sie dann wieder genug Kraft, um ein zweites Album angehen zu können. Vielleicht ist es so zu erklären, dass es wie eine Befreiung klingt, wenn sie am Ende des Titelsongs, der Alive eröffnet, von ihrem Lebendigsein singt. Ihre Stimme ragt durchweg heraus in diesen zwölf Liedern, am deutlichsten in Older Than The Hills, das zudem eines von einigen Beispielen für sehr effektvolle Streicherarrangements auf dieser Platte ist, und in Under The Wire, in dem sie überklar phrasiert, fast wie in einem Musical.
Als Genre liegt man bei Tallulah Rendall sonst mit dem Begriff „Folkrock“ nicht ganz falsch. Wenn ihre Lieder weitgehend akustisch bleiben wie Blind Like A Fool können sie simpel, aber energisch klingen wie etwa die Songs von Katzenjammer. Wenn es etwas rockiger wird und dazu noch eine gute Prise Empörung und Drama kommen wie in Go Bathe In The Light, kann man an Melissa Etheridge oder Alanis Morissette denken. Typisch sind sehr kluge Dramaturgien und Songs, die sanft beginnen (wie Back To You, in dem sogar das Schlagwerk sehr behutsam wirkt), dann aber immer spannender (oder im Fall von Nothing Is Over sogar bedrohlich) werden.
Zwei Ausnahmen gibt es auf Alive von diesem Prinzip: Tempo und Atmosphäre von Underground bleiben zurückgenommen, was dem Lied einen ganz eigenen Reiz verleiht. In Colourblind glaubt man zunächst, es hätte als Remix einiges Potenzial für die Tanzfläche – am Ende sind die Drums dann so energisch, dass es diesen Remix gar nicht mehr braucht.