The Bamboos – „Night Time People“

Künstler The Bamboos

Night Time People The Bamboos Review Kritik
„Night Time People“ ist das erste Album der Bamboos nach dem großen internationalen Erfolg.
Album Night Time People
Label BMG
Erscheinungsjahr 2018
Bewertung

Crossover war einmal ein seltsames Genre für Jungs in Skaterklamotten, die Rap und Gitarren am liebsten zusammen mochten. Crossover bezeichnet aber auch den Moment, in dem man eine Grenze in ein neues Terrain überschreitet. The Bamboos kennen diesen Begriff sicher gut, und der Moment ihres persönlichen Crossovers lässt sich recht genau datieren: Es war der Tag, als Kung vs. Cookin‘ On 3 Burners einen Remix von This Girl machten. Das Lied hatten The Bamboos schon 2009 geschrieben, in der neuen Version bescherte es ihnen vor zwei Jahren einen Riesenhit: Platz 1 in Deutschland und Frankreich, fünf Wochen lang Platz zwei in Großbritannien, 14 Gold- oder Platinauszeichnungen in verschiedenen Ländern.

Zu diesem Zeitpunkt war die 2000 gegründete Gruppe um Bandleader und Gitarrist Lance Ferguson sowie Sängerin Kylie Auldist (sie ist seit 2006 dabei) in ihrer australischen Heimat schon bestens etabliert. The Bamboos hatten 2015 gerade ein Best Of herausgebracht, das man vielleicht als Endpunkt eines Karrierekapitels hätte betrachten können. Dass sie mit ihrem Mix aus Soul und Funk nach mehr als anderthalb Jahrzehnten plötzlich auch außerhalb des fünften Kontinents so großen Erfolg haben würden, hätten sie aber wahrscheinlich selbst nicht gedacht.

Man hört Night Time People, ihrem heute erscheinenden achten Studioalbum, diese besonderen Umstände an. Es gibt auf dieser Platte großartige Songs, bei denen man sich fragen muss, wie der Rest der Welt vor This Girl überhaupt so lange The Bamboos überhören konnte. Der Auftakt Lit Up ist ein typisches Exemplar: Klavier und Bläser sind prägend, Ersteres sorgt für Verspieltheit, Letzteres für Vorschub. Das Ergebnis ist so saftig und so souverän, als hätten sie ein Patent auf diesen Sound. Backfired spricht eine Drohung aus, die nicht allzu aggressiv ist, aber trotzdem einschüchternd. Die Night Time People sind natürlich die besseren Menschen, der Song, mit dem sie gefeiert werden, hat einen sehr gelungenen und ungewöhnlichen Refrain, zumal in diesem Genre, weil ausgerechnet da der Beat erst zurückgenommen wird und dann sogar ganz aussetzt. Das leichtfüßige und eingängige Instrumental San Junipero hat einen ähnlich überraschenden Effekt: Man hätte nicht für möglich gehalten, wie gut das auch ohne Gesang funktioniert.

In der Zeile “You’re my golden ticket” steckt in Golden Ticket nicht so sehr der Taumel der ersten Verliebtheit, sondern eher die Fassungslosigkeit über das Glück, jemanden gefunden zu haben, mit dem dieses Gefühl fortbesteht, auch noch nach Jahren. You Should’ve Been Mind zeigt, wie positiv dieser Sound auch dann bleibt, wenn es um eine verpasste Chance geht. Auf das Zurückgelassensein in Stranded scheint Kylie Auldist mit einem Energieschub zu reagieren. Ihr Gesang steht auf Night Time People noch mehr im Fokus als früher bei den Bamboos, auch weil es diesmal bis kurz vor Schluss der Platte ganz bewusst keine Gäste gibt. „Ich glaube, wenn die Leute zu unseren Shows kommen oder Kylies Stimme auf dem Album hören, fühlen sie Wärme und Energie. Sie verbindet sich einfach mit den Menschen und bringt sie dazu, loszulassen und sich gut zu fühlen. Kylie strahlt menschliche Freude, Wärme und Soul zugleich aus“, schwärmt Lance Ferguson sehr treffend.

Trotz dieser Stärken merkt man Night Time People auch an, dass The Bamboos eine Band sind, die einerseits bereits über reichlich Routine verfügt, andererseits womöglich gewillt ist, den neuen internationalen Mega-Erfolg nicht mit allzu wilden Eskapaden zu gefährden. Salvage Rites ist ein Beispiel dafür, das glamourös wird, aber auch etwas schematisch. Auch der Proto-Funk von Pony Up passt in diese Reihe, ebenso War Story, das zwar nichts falsch macht, aber auch nichts Besonderes zu bieten hat.

Ganz am Ende gibt es doch noch ein paar Gaststimmen: Gleich drei Rapper dürfen sich zum Abschluss des Albums in drei Versionen von Broken austoben, nämlich einmal J-Live, einmal Urthboy und einmal Teesy (auf Deutsch). Das kann man dann doch als recht mutiges (und gelungenes) Experiment betrachten. Der Broken-Dreierpack zeigt, wie flexibel der Sound der Bamboos ist, zugleich werden die drei Versionen zu einem großen Gesamtwerk.

Klassisch und souverän geht es auch im Video zu Lit Up zu.

Website der Bamboos.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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