The Courettes – „Here We Are The Courettes“

Künstler*in The Courettes

Here We Are The Courettes Kritik Review
„Here We Are The Courettes“ packt die ersten beiden Alben des Duos zusammen.
Album Here We Are The Courettes
Label Damaged Goods
Erscheinungsjahr 2021
Bewertung Foto oben: (C) Cargo Records

Ein berühmtes Zitat von Angus Young lautet: „Ich kann es nicht mehr hören, wenn die Leute sagen, wir hätten elf Alben gemacht, die alle gleich klingen. Es waren zwölf!“ Der AC/DC-Gitarrist verweist damit auf ein zentrales Problem von Rockmusik, die ihre Wurzeln in der Garage hat: Allzu viel Variation gibt es dabei normalerweise nicht.

Was Damaged Goods mit seiner Neuverpflichtung The Courettes anstellt, erscheint deshalb gewagt. Die ersten beiden Alben der Band, Here Are The Courettes (2015) und We Are The Courettes (2018) finden sich hier zusammengefasst als Here We Are The Courettes (parallel werden beide Platten auch einzeln auf Vinyl und CD wiederveröffentlicht). Das macht in Summe 22 Tracks am Stück und gut 50 Minuten Spielzeit – womöglich deutlich viel zu viel sein für einen funktionierenden Spannungsbogen, zumal es sich um Musik handelt, die von nur zwei Leuten gemacht wird, was die Möglichkeiten für klangliche Abwechslung weiter einschränkt.

Man kann tatsächlich schnell feststellen, dass das Duo aus Dänemark und Brasilien ein sehr klares Konzept hat, das sich stetig wiederholt: Praktisch jeder Song hat ein Gitarrensolo, der Sound ist knackig und knarzig, die Drums poltern und scheppern, Fuzz-Effekte sind ebenso beliebt wie Handclaps. Man hört sehr regelmäßig ein „Woooww!“ und gelegentlich auch „Whooo“, „Yeah“, „Hoo, haa“ oder einfach ein paar nicht genauer identifizierbare Laute, die pure Freude am Lärm zum Ausdruck bringen. Aber die Songs von Flávia Couri (Gesang, Gitarre) und Martin Couri (Schlagzeug, Gesang) sind so packend, dass das letztlich kein Problem wird.

In der Tat unterstreicht Here We Are The Courettes in dieser Konstellation sogar die besondere Qualität dieser Band: Kein Song ist herausragend, aber alle sind richtig, richtig gut. Die größte Stärke ist, dass es The Courettes mit kleinen Details schaffen, inmitten des bestens vertrauten Konzepts die Dynamik hoch zu halten. Push It Too Hard erweist sich als Gesangs-Duett (oder besser: -Duell) zwischen Flávia und Martin, obendrein gibt es ein Schlagzeugsolo. Come Inside spielt mit sexuell aufgeladener Zweideutigkeit und einer Orgel, All About You bekommt eine Extra-Portion Eingängigkeit. The Teens Are Square hat noch etwas mehr Energie und Punch als das sonst hier schon Standard ist und in Boom! Dynamite! brauchen The Courettes gar keine Soundeffekte, um das Lied genau wie seinen Titel klingen zu lassen (und zwei der ingesamt gleich sechs Ausrufezeichen in der Tracklist zu rechtfertigen).

I’ve Been Walking, das die Platte eröffnet (die 8 Tracks des Debüts und die 14 vom zweiten Album sind in der ursprünglichen Reihenfolge zu hören), hätte wunderbar zu den frühen Hives gepasst, auf einen Track wie Hoodoo Hop wären die Ramones stolz gewesen. Shiver! hat eine Kraft und einen Vorwärtsdrang wie ein Elefant, der sich den Weg durch den Dschungel bahnt. Als das Lied am Ende stückchenweise abstirbt, merkt man erst richtig, wie hoch bis hierhin durchweg das Tempo gewesen ist. Voodoo Doll wird durch ein Saxofon, ein bisschen Spanisch und den Gastauftritt von Horrorfilm-Legende Coffin Joe angereichert. Die Schlussfolgerung aus der Erkenntnis We’re Gonna Die scheint zu lauten: Dann kann man ja vorher wenigstens noch einmal ordentlich Krach machen und Spaß haben. In I Wanna Be Your Yoko Ono klingt die Stimme von Flávia Couri herrlich aggressiv und gefährlich, und natürlich genau deshalb ernorm verlockend.

Ein typisches Merkmal neben all dem Krawall sind Songs mit einem erstaunlichen Phil-Spector-Girlgroup-Flair. The Boy I Love gehört dazu, ebenso wie Time Is Ticking, das durch weniger Tempo und Druck auch erkennen lässt, was für feine Kompositionen auf Here We Are The Courettes versammelt sind. Strawberry Boy erweist sich als wunderbar herbe Ballade – so würden vielleicht die Pipettes klingen, wenn sie sich ein paar Wochen nicht hätten waschen dürfen. Fool Fool Fool beschließt den Reigen zauberhaft, verletzlich, soft und mit einem Glockenspiel.

Als Visitenkarte dieses Duos funktioniert das ebenso gut wie als Appetizer für mehr. Eine neue Single gibt es mit dem im vergangenen Jahr veröffentlichten Want You! Like A Cigarette bereits, das dritte Album der Courettes ist in Arbeit.

Reichlich Ausrufezeichen gibt es auch im Video zum neuen Song Hop The Twig.

Website der Courettes.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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