Künstler | The Darkness | |
Album | Easter Is Cancelled | |
Label | Cooking Vinyl | |
Erscheinungsjahr | 2019 | |
Bewertung |
Theatralik und Übertreibung sind ja seither der Markenkern von The Darkness. Auf Easter Is Cancelled nutzt das britische Quartett diese Stilmittel nicht nur in seiner Musik, sondern auch gleich bei der Ankündigung seines sechsten Albums: „Dieses tiefgreifende Kommuniqué untersucht die Brutalität des Menschen gegenüber dem Menschen, die Dichotomien, in denen wir leben, und die alternativen Realitäten, die neben unserem beschränkten Verständnis des Universums existieren. Der Liederzyklus definiert die menschliche Existenz mithilfe eines Gleichnisses – dem langsamen, anhaltenden Tod und die glorreiche Wiedergeburt von Rock and Roll“, legt Sänger Justin Hawkins dar. „Auf der Suche nach den perfekten klanglichen Entsprechungen von tieferen Wahrheiten wurde jedes Musikinstrument der Welt in seinem vollen Umfang erforscht und genutzt. Endlose Tage, verbracht in Studios und Museen sowie mit spirituellen Rückzügen und dem Erkunden von lehrreichen Orten zogen sich über zahllose Monate hin, in denen immer tiefere Schichten der Wahrheit aufgedeckt wurden, die dann für die Ewigkeit im Klang übersetzt wurden. Das Ergebnis ist ein wahrhaft biblisches Album – und diejenigen, die gesagt haben, dass Rock and Roll die Musik des Teufels ist, sollten zuhören und verstehen, dass sie in Wahrheit die Stimme Gottes darstellt.“
Dieses, ähm, Konzeptalbum beginnt mit Rock And Roll Deserves To Die, gleich in den ersten Sekunden wird darin deutlich, dass man sich hier auf „Over the top“ einstellen darf, der Refrain unterstreicht das dann mit einem markerschütternden Schrei, schließlich mit einem ganzen Chor, der das Urteil ausspricht: „Rock and roll / your time has finally come / I’m afraid you must die.“ Der Sound ist so abgeschmackt, dass man dem Genre tatsächlich lieber den Tod als solche Ergebnisse wünschen würde. Wie immer bei The Darkness muss man an eine Persiflage denken, und man könnte fast sauer werden, wenn Justin Hawkins bei seinem (freilich ironischen) Eigenlob noch einen draufsetzt: „Dieses Album ist das erhabendste Statement, das eine Band je getroffen hat, und die Bemühungen dafür haben ihren Tribut gefordert. Mit der Verwirklichung eines so gewaltigen Ziels ist eine Grenze erreicht worden, und dies wird somit das letzte traditionelle Musikalbum von The Darkness sein – nachdem wir uns dem Ewigen und Ultimativen gestellt haben, müssen wir nun zu höheren Kunstformen übergehen.“
Die gute Nachricht bei Easter Is Cancelled lautet allerdings: Danach wird es deutlich besser, sehr unterhaltsam und erstaunlich unpeinlich. Justin Hawkins, sein Bruder Dan Hawkins (Gitarre), Frankie Poullain (Bass) und Rufus Tiger Taylor (Schlagzeug) erweisen sich nicht als Sargnägel für den Classic Rock, sondern als Fans, Bewunderer, Überzeugungstäter. How Can I Lose Your Love vereint Achtziger-Ästhetik, Energie und handwerkliches Können, auch wenn der Refrain etwas schwach bleibt. Live ‘Til I Die ist dann das erste Highlight der Platte: „Live ‘til I die and love ‘til I cry“, heißt das Bekenntnis, und Justin Hawkins schafft es durch die offenkundig autobiografischen Strophen (inklusive des Bekenntnisses: „I wasn’t popular at school / I became the subject of a campaign of ridicule“) und viel Hardrock-Romantik, diese Gemeinplätze nicht allzu banal klingen zu lassen. Der Songtext ist vielleicht entscheidend für das Verständnis dieser Band insgesamt: The Darkness lieben diese Sache wirklich, und ob sie dabei vielleicht lächerlich wirken, ist nach einem ganzen Leben als Außenseiter mit Spandex-Hose, langen Haaren und AC/DC-Kutte (und nach 20 Jahren als Band) längst egal.
Auch im nett verpackten Liebeskummer-Song Heart Explodes wird die Musik ganz explizit zur Methode der Bewältigung, auch zum Medium, mit dem sich die eigene Identität gestalten lässt. Chocke On It erweist sich als sehr klassischer und kompetenter Hardrock, Deck Chair ist eine fast experimentelle Ballade mit einigen Queen-Anleihen, der Titelsong Easter Is Cancelled ist der härteste Moment der Platte, mit grenzwertiger Kopfstimme und halsbrecherischer Geschwindigkeit. Heavy Metal Lover barmt hoffentlich mit einem Augenzwinkern „Heavy metal lover, I just want to be with you“, der Sound dazu schwankt zwischen ZZ Top und Aerosmith, mit einem Ausflug in Richtung Megadeath gegen Ende. In Another Life bleibt weitgehend akustisch und entspannt, was erstaunlich gut zu The Darkness passt und auch verstehen lässt, wieso sie demnächst im Vorprogramm von Ed Sheeran zu sehen sein werden.
We Are The Guitar Men heißt der Abschluss des Albums, besagtes Instrument wird darin personifiziert, überhöht und geliebt. Er wüsste gar nicht, was er mit seinen Händen anfangen sollte, wenn er keine Gitarre hätte – geschweige denn mit seinen Gefühlen, singt Justin Hawkins. Wie zum Auftakt, gesellt sich auch hier dann ein Chor dazu, mit dem Wunsch „Long live rock and roll.“ Amen.