Künstler | The Gotobeds | |
Album | Debt Begins At 30 | |
Label | Sub Pop | |
Erscheinungsjahr | 2019 | |
Bewertung |
“If I’m right / I know I’m wrong.“ Diese Zeile aus On Loan bringt sehr schön die Attitüde der Gotobeds aus Pittsburgh auf den Punkt. Sie zeigt nicht nur eine schöne Anti-Haltung, die beispielsweise (ebenso wie der Sound) The Clash stolz gemacht hätte. Daraus spricht auch der Anspruch, sich selbst ständig zu hinterfragen. Gewissheiten sind immer nur vorläufig, das gilt für das Leben ebenso wie für den musikalischen Ansatz von Cary, TFP, Eli und Gavin auf ihrem dritten Album.
Ist man einmal zu dieser Erkenntnis gelangt, gibt es auch eine hilfreiche Methode, um diesem Phänomen der notorischen Unsicherheit zu begegnen: ein Korrektiv, das eine Einschätzung geben kann bei der Frage, ob man richtig liegt. Entsprechend haben The Gotobeds auf Debt Begins At 30 reichlich Kollaborateure eingeladen. Im erwähnten On Loan werden sie von Greg Ahee (Protomartyr) verstärkt, bei Slang Words ist dessen Bandkollege Joe Casey dabei und hat seinen Anteil daran, dass der Song nach Aggressivität und Unruhestiftern etwa im Stile der Buzzcocks klingt. Auch bei allen anderen Stücken der Platte wirkt mindestens ein Gast mit, dazu gehören beispielsweise Gerard Cosloy, Matt Barnhart (Tre Orsi), Victoria Ruiz (Downtown Boys), Jason Baldinger oder Scott MacIntyre.
Die Single Calquer The Hound eröffnet das Album, in diesem Fall werden The Gotobeds um Rob Henry (Kim Phuc) und Evan Richards erweitert. Der Song zeigt den Ausgangspunkt für die meisten Lieder dieser Band: eine Position der Unzufriedenheit, die aber ihren Ursprung und ihr Ziel nicht benennen kann. Die Musik dazu ist entsprechend ungeduldig, bedrohlich und zerfasert. Poor People Are Revolting macht mit seinem kraftvollen Bass und seiner gesamten Attitüde klar, dass die Zeile „You’re my swan song” definitiv nicht als Kompliment gemeint ist. Bleached Midnight wird giftig und wild wie es etwa die Bad Seeds sein können, und zeigt ebenso die Lust darauf, grundsätzlich zu werden, wie die Freiheit, gelegentlich auch im Ungefähren zu bleiben.
Mike Seamans und Bob Weston wirken im Titelsong Debt Begins At 30 mit, den es gegen Ende der Platte dann noch einmal in einer anderen Version (nämlich auf Spanisch und von einer Frau gesungen) gibt. Der Track überrascht erst durch das Spiel mit dem Panorama bei der Bass-Spur, dann mit einem Saxofon, dann mit einer Tirade, die beispielsweise Zeilen wie “I just watch / world just burns” enthält. Eine so knallharte Nüchternheit lässt auch 2:15 erkennen, nicht nur im Songtitel (der einfach die Spielzeit des Stücks angibt), sondern auch mit einer abstrakten Gestalt und einer existenzialistischen Perspektive. Parallel (mit Tim Midyett von Silkworm) hingegen gönnt sich ein bisschen Indie-Niedlichkeit im Stile der Lemonheads, die durch das Klavier, vor allem aber durch den Harmoniegesang erzeugt wird.
Für die Single Twin Cities haben The Gotobeds Tracy Wilson (Dahlia Seed, Positive NO!) als Duettpartnerin gewonnen. Nachdem ein Wecker klingelt, darf sie sich darin zu einem guten Riff und viel Schwung austoben. Insbesondere der sehr einfallsreichen Gitarrenarbeit hört man an, wie viel Spaß das gemacht hat. Schnell kann man sich der Einschätzung von Bob Nastanovich (Pavement) anschließen, der in den Liner Notes zu Debt Begins At 30 schreibt, The Gotobeds seien „the modern rock and roll sensation that has always sounded like they love to play”. Bei Dross wirkt er auch als Musiker mit, ausgerechnet dieses Lied zeigt allerdings am deutlichsten das Manko des Albums. Wut, Freude, Angst, Erleichterung – all diese Gefühle sind hier im höchsten Maße glaubwürdig, verschwimmen aber im Lo-Fi-Sound und entwickeln deshalb nicht ihre volle Wirkung. Etliche Stücke könnten durch eine andere Produktion mehr Unmittelbarkeit bekommen. Das gilt in Dross besonders: Jedes Instrument (und schließlich auch der Gesang) bringt seine Frustration auf seine Weise zum Ausdruck – das Ganze ist aber nicht stärker als die Summe seiner Teile.