The Heavy – „Amen“

Künstler*in The Heavy

The Heavy Amen Review Kritk
„Amen“ erscheint auf der eigenen Plattenfirma von The Heavy.
Album Amen
Label Bad Son Records
Erscheinungsjahr 2023
Bewertung Foto oben: (C) Lasoundcheck PR / Tim Walter

Wenn Komponist*innen anfangen, Lieder über ihre Haustiere zu machen, dann kann man wohl von einem kreativen Tiefpunkt ausgehen. Diese Menschen erleben und erfahren dann nicht mehr genug in der echten Welt, um über aufregende Beziehungen, gesellschaftliche Probleme oder wenigstens das schwere Schicksal des Lebens als Rockstar zu schreiben. Sondern bringen stattdessen zu Papier, dass sie eine neue Katze haben, die (oh Wunder!) dazu neigt, alles zu zerstören.

Davon handelt tatsächlich Stone Cold Killer, das The Heavy sogar zur Single auserkoren haben. Zugleich zeigt der Song, der auch gut zu Jet gepasst hätte, aber auch: Das Quartett ist auf seinem sechsten Album keineswegs einfallslos geworden oder gar in einer künstlerischen Durststrecke gelandet. Vielmehr staunt man nach diesen gut drei Minuten, wie mühlos es ihnen gelingt, aus so einer banalen Idee einen so überzeugenden Rocksong zu machen.

Dass Stone Cold Killer nicht zu einem Highlight auf Amen wird, das Kelvin Swaby (Gesang), Daniel Taylor (Gitarre), Spencer Page (Bass) und Chris Ellul (Schlagzeug) erstmals auf ihrem eigenen Label veröffentlichen, liegt nur daran, dass The Heavy quasi nie Ausreißer nach oben oder unten produzieren. Sie sind eine gute Band mit guten Songs, das gilt auch diesmal wieder. „Wir haben unser Handwerk verfeinert“, sagt Chris Ellul, „wir sind einfach noch besser geworden in dem, was wir tun.“ Frontmann Kelvin Swaby weiß indes, dass der Ausblick auf die neue Platte für die Vermarktung vielleicht doch etwas spektakulärer formuliert werden sollte und sagt: „Es fühlt sich wie ein neues Level an. Es fühlt sich an, als wären alle Songs der Wahnsinn. Es gibt überhaupt keine Filler.“

Das bestätigt sich im Auftakt Hurricane Coming mit viel Schmackes, der auch dank der The-Heavy-typischen Unterstützung durch Bläser und Gospelchor erreicht wird. Das Lied ist inspiriert von den Erlebnissen mit Hurrikan Irma, die Kelvin Swaby hatte, kurz nachdem er aus der englischen Heimat in die USA umgezogen war. „Diese Macht, die er hatte! Und dabei hat uns der Sturm nur ein bisschen berührt. So ist das eben auch mit Beziehungen. Es ist eine Mahnung, ein bisschen vorsichtiger zu sein, etwas Schönes nicht als selbstverständlich anzusehen“, sagt er nun.

Das Stück ist nicht der einzige Beleg dafür, dass die 2007 gegründete Band auch jenseits von Cat Content noch etwas zu bieten hat. Ain’t A Love erzählt von der emotionalen Verwirrung, wenn eine alte Flamme plötzlich wieder in der Stadt ist – und der Erkenntnis, dass man schon viel zu oft auf ihre Spielchen hereingefallen ist. Der Sound dazu zeigt ihre Vorliebe für cineastische Arrangements, irgendwo zwischen Calexico und Morricone. Just Like Summer wird mit Zeilen wie “With the ocean rising / can’t take the heat / then we all start singing / to a different beat” sogar politisch. „Ich denke, wir schreiben sehr vieldeutige Songs“, sagt Swaby. „Es geht in Just Like Summer nicht nur um die Beziehung zu deinem Partner, sondern auch um unsere Umwelt und darum, wie man mit uns Menschen umgeht. Es gibt so viele Versuche auf diesem Planeten, Dinge voneinander abzugrenzen. Es gibt so viel ‚Wahrheit‘, die nicht wahr ist. Wir bekommen Scheiße verkauft und glauben, dass es Gold ist. Aber wir haben eine Stimme!“ Auch hier vereint die dazugehörige Musik ganz viel von dem, was The Heavy so gut können, vom packenden Rhythmus über die schicken Streicher bis hin zum filigranen Spannungsbogen.

Geschrieben wurden die neuen Lieder 2019 in Florida, aufgenommen im Februar 2020 in den Rockfield Studios im Süden von Wales mit Produzent Tchad Blake (The Black Keys, U2). Für Feels Like Rain verschiebt das Quartett die Regler am weitesten in Richtung Soul, Messin‘ With My Mind vereint einen schönen Groove mit cooler Attitüde, Bad Muthafucker setzt nicht nur im Titel auf Aggressivität im Stile beispielsweise von The Hives, auch wenn dem Song dabei die nötige Glaubwürdigkeit fehlt.

Without A Woman haben The Heavy aus zwei auf seltsame Weise harmonierenden Fragmenten zusammengebastelt, die Gitarrist Daniel Taylor in England und Sänger Kelvin Swaby in den USA unabhängig voneinander entwickelt haben. „Das ist der Grund, warum wir die Band sind, die wir sind. Weil wir im Stande sind, solche Songs zu schreiben. Wir könnten einen Ozean voneinander entfernt sein, aber wir haben immer noch diesen Funken. Er ist einfach da“, schwärmen sie über das Ergebnis, dem man mindestens das Attribut „hoch solide“ geben kann. Ganz ähnlich lassen sich auch I Feel The Love, das zu Mando Diao passen würde, oder das energische Whole Lot Of Me bewerten: Es gibt auf Amen wenig Überraschungen, aber viel Klasse, die Lieder sind konventionell, aber überzeugend.

Auch im Clip zu Hurricane Coming ist der US-Einfluss sehr präsent.

Website von The Heavy.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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