The Horrible Crowes – „Live At The Troubadour“

Künstler The Horrible Crowes

Live At The Troubadour The Horrible Crowes Review Kritik
Gleich ihr zweites Konzert haben The Horrible Crowes als Livealbum aufgezeichnet.
Album Live At The Troubadour
Label SideOneDummy
Erscheinungsjahr 2013
Bewertung

Natürlich riecht das nach Größenwahn. Gerade einmal einen Longplayer haben die Horrible Crowes veröffentlicht, und schon lassen sie ein Livealbum folgen. Mehr noch: Live At The Troubadour wurde am 14. September 2011 aufgezeichnet, also beim erst zweiten Konzert, das die Band überhaupt gespielt hat. Acht Tage vorher war ihr Debütalbum Elsie erschienen, alle 12 Lieder darauf finden sich nun auch auf diesem Mitschnitt, den es auch als DVD gibt.

Freilich gibt es bei den Horrible Crowes besondere Umstände. Zum einen sind sie zwar eine neue Band, aber keine Newcomer. Sänger Brian Fallon bringt reichlich Fans von seiner Haupttätigkeit bei The Gaslight Anthem mit, und so ist das Konzert natürlich ausverkauft und die noch sehr frischen Songs, die live teilweise beträchtlich von den Albumversionen abweichen, werden vom Publikum in Los Angeles höchst dankbar aufgenommen. Zum anderen wird deutlich, dass hinter der Idee eines Livealbums eben keine Hybris steht, sondern pure Euphorie: Wie sehr Brian Fallon von der Existenz der Horrible Crowes begeistert ist, wie begierig er darauf ist, diese Songs live zu spielen, ist unverkennbar. „Ich glaube, das war eins der Highlights meiner Karriere“, sagt er rückblickend über das Konzert. „Alle waren in Hochstimmung, wie fühlten uns wohl und wir spielten Musik, die wir aufregender fanden, als wir jemals für möglich gehalten hatten. Ich liebe diese Band, als Fan.“

Angekündigt hatte er das Projekt, das er gemeinsam mit seinem Kompagnon Ian Perkins bildet, der bei Gaslight Anthem für die Gitarrentechnik zuständig ist, als eine dunklere, souligere Variante seines Werks. „So gerne ich mit Gaslight Anthem meine Fantasie auslebe, Bruce Springsteen zu sein, so sehr wünsche ich mir auch, Tom Waits oder Greg Dulli zu sein“, hat er dazu erklärt. Der stilistische Unterschied zwischen beiden Bands ist freilich überschaubar. Wer The Gaslight Anthem nicht mag, wird kein glühender Fan der Horrible Crowes werden, alleine schon wegen der Dominanz von Brian Fallons Stimme. Warum er diese zweite musikalische Spielwiese „auf dem Rücksitz eines Tourbusses“ erschaffen hat, wie er in der Ansage zu I Witnessed A Crime sagt, wird auf Live At The Troubadour trotzdem sehr deutlich: Es geht darum, auch mal ein wenig das Tempo zurückfahren zu können.

Die ersten paar Sekunden des Konzerts zeigen das bereits: Die Atmosphäre zu Beginn von Last Rites, mit dominanten Drums und elegantem Klavier, würde auch zu Nick Cave passen, mit dem ersten „Yeah“ des Abends kommt Brian Fallon dann erst zu dem Sound, den man viel eher von ihm kennt. I Believe Jesus Brought Us Together ist auch live eine sehr überzeugende Ballade (und bekommt Szenenapplaus für die Zeile „All lovers are liars“). Black Betty & The Moon hat eine so große Selbstverständlichkeit, dass man im Zusammenhang mit den Horrible Crowes nie wieder das Wort „Nebenprojekt“ in den Mund nehmen möchte, auch wenn es seit diesem Livealbum kein Lebenszeichen mehr von ihnen gibt.

Behold The Hurricane ist ein kompakter, runder, guter Rocksong. In Blood Loss kommt Fallon ein bisschen mehr als sonst in seinen Springsteen-Modus, auch ein Lied wie Cherry Blossoms zeigt sein Talent für diese sehr amerikanische Romantik, in der so gerne Autos, Gott und eine gute Portion Selbstmitleid vorkommen. Interessant ist, dass sich hier (teilweise auch durch die Anmoderation der Stücke) so etwas wie ein Leitmotiv von Elsie herauskristallisiert, das man dem Studioalbum nicht so deutlich angemerkt hatte: Die Frau erscheint hier in mehreren Songs, etwa Ladykiller, als unberechenbare Gefahr für das männliche Seelenheil, nicht nur wenn sie die unerreichbare Angebetete ist, sondern auch innerhalb einer Beziehung, selbst in Momenten des Glücks. Die Spannung von Sugar beispielsweise basiert darauf, dass er in der hier besungenen Beziehung einmal Vertrauen empfunden hat, nun aber ahnt, dass dessen Fundament vielleicht erschüttert ist, ohne sein Zutun. Auch Go Tell Everybody passt in diese Reihe, angekündigt wird der Song als ein weiterer Beitrag zum ebenso unerschöpflichen wie unerklärlichen Thema „War of the sexes“.

Die sehr lange Ansage zu Go Tell Everybody beinhaltet allerdings auch das größte Problem von Live At The Troubadour: Brian Fallon kommt hier weder als großer Entertainer rüber noch wirkt er sonderlich sympathisch. Nicht nur seine Aussprache, sondern auch die Rhetorik erinnern manchmal erschreckend an Donald Trump – wie der US-Präsident mäandert Fallon hier einigermaßen wahllos von Thema zu Thema, er teilt mit Trump auch die Eigenart, Sätze und Begriffe zu wiederholen in der Hoffnung, sie würden dadurch stärker oder wahrer. Nicht zuletzt nervt auch in einer Band, die sehr offensichtlich ein Zeitvertreib für gute Kumpels sein soll, sein Macho- und Proll-Gehabe, das zudem wenig zu den oft sensiblen Songinhalten passt.

Die für Fans wahrscheinlich wertvollsten Inhalte (neben den Aussagen zur Entstehungsgeschichte der Band à la „We did it for fun and we didn’t know if anyone liked it“) sind die beiden überraschenden Coverversionen. Teenage Dream (jawohl: der Hit von Katy) singt Brian Fallon ohne einen Hauch von Ironie, gerade deshalb wird diese Interpretation so gelungen. Den Abschluss des Konzerts macht Never Tear Us Apart. Eine Coverversion des INXS-Schmachtfetzens hätte man von ihm auch nicht erwartet, aber neben dem Traum, einmal Bruce Springsteen oder Tom Waits zu sein, steht ihm auch die Rolle als Reinkarnation von Michael Hutchence erstaunlich gut.

Das komplette Konzert aus dem Troubadour.

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Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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