Künstler*in | The Kooks | |
Album | 10 Tracks To Echo In The Dark | |
Label | Lonely Cat | |
Erscheinungsjahr | 2022 | |
Bewertung |
Luke Pritchard hat viel zu erzählen. Er mag das, was er mit The Kooks erreicht hat („Die Pandemie war eine gute Gelegenheit, sich mal wirklich intensiv mit all unseren Alben zu befassen – und auch einfach zufrieden zu sein mit der zurückgelegten Wegstrecke.“). Er mag allerdings nicht den Trubel, den das der 2004 in Brighton gegründeten Band eingebracht hat („Wir sind in echt kurzer Zeit berühmt geworden und waren einfach charakterlich noch nicht so gefestigt. Wir hatten an diesem ganzen Ruhm schon auch richtig zu knabbern, also so richtig. Ich habe absolutes Mitgefühl für jeden Menschen, der in irgendeiner Form berühmt wird.“).
Er mag den Brexit nicht („Ich war echt betroffen und wollte schon auch ein Statement machen, indem wir eine europäische Platte aufnehmen. Wir sind eine europäische Band, wir haben da draußen praktisch überall gelebt. Wir lieben Europa einfach so sehr, dass wir diese Verbindung bewahren wollten.“). Er mag allerdings Sciene-Fiction-Literatur („Ich habe viele Autoren gelesen – Philip K. Dick, Asimov und so surreale Sachen wie Boris Vian. Mir hat es vor allem dabei geholfen, auf richtig krasse Ideen für die Songs zu kommen.“).
Er mag das Konzept „Indie“ nicht („Das ist so ein Wort, um das wir immer einen großen Bogen gemacht haben.“). Er mag allerdings Berlin („Es hat so etwas Freies, ist noch nicht ganz so zerfressen vom Kommerz.). Er mag seine Stimme nicht („Es ist jetzt nicht so, dass ich sie hassen würde. Eigentlich mag ich meine Stimme bloß nicht so. Je mehr ich sie also verschleiern kann, desto besser!“). Er mag allerdings das Dasein als neuerdings verheirateter Familienvater („Ich will einfach Spaß haben und mein aktuelles Leben genießen.“).
Das ist alles halbwegs interessant und wird vom Frontmann des Trios zur heutigen Veröffentlichung von 10 Tracks To Echo In The Dark mitgeteilt, dem sechsten Album von The Kooks. Entstanden ist der Nachfolger von Let’s Go Sunshine (2018) in Berlin. Tobias Kuhn (ehemals Miles, wichtiger Mitstreiter etwa für Thees Uhlmann, Bosse und Sportfreunde Stiller) ist Produzent und war zudem Co-Songwriter bei neun der zehn Songs. Er hatte mit Pritchard sehr schnell fünf Lieder geschrieben, dann unterbrach der Lockdown im März 2020 die produktive Zusammenarbeit. Über Zoom wurde der Kontakt gehalten, schließlich in London alles final aufgenommen.
Das Problem des Albums ist dabei: Pritchard hat zwar viel zu erzählen, aber in seinen Songs nur noch wenig zu sagen. Er singt eben nicht vom Brexit, von futuristischen Szenarien oder dem Kampf mit dem eigenen Status als Rockstar, sondern vom Flirten und der Liebe, und das ist alles sagenhaft banal. Selbst, wenn er ein so großes Ereignis wie die Geburt seines Sohnes thematisiert (ihm ist Beautiful World gewidmet, bei dem auch Milky Chance mitwirken), kommt nur oberflächlcher Kram heraus wie „It’s such a fucked up world / but I’m glad we’re living in it.“
Erschwerend hinzu kommt, dass er offensichtlich auf den Berlin-Mythos hereingefallen ist. „Über die Jahre haben ja schon viele Songwriter*innen in Berlin Zuflucht gefunden. Manchmal schnappt man einfach diese Nuancen irgendwo auf. Und ich meine damit gar nicht mal unbedingt die Menschen, sondern den Ort selbst“, sagt er. So machte sich wohl der Glaube breit, mit 10 Tracks To Echo In The Dark eine existenzialistische Atmosphäre wie einst David Bowie oder Nick Cave hinbekommen zu können. „Ich war auf der Suche nach etwas Ruppigerem, Rauerem, nach etwas mehr Minimalismus“, sagt Pritchard, und so treffen nun Songs mit ziemlich wenig Substanz auf Arrangements, die ihre Schwächen nicht einmal zu kaschieren versuchen.
Die Single Connection als Auftakt ist so ein Beispiel. Es geht ums Feiern, das in schweren Zeiten tatsächlich ein Trost sein kann, der Beat ist simpel, die Geschichte auch. Das Lied war schon nach wenigen Stunden im Kasten, aber man hätte sich gewünscht, dass dem guten Refrain mit etwas mehr Mühe auch noch eine brauchbare Strophe zur Seite gestellt wird, statt dass sie nun die Wirkung des Songs ausbremst. Auch 25 ist halbwegs gelungen, hätte aber auch etwas mehr Politur vertragen können, ebenso wie das vom Klavier geprägte Closer, das wie Coldplay ohne Zauber klingt.
Gelegentlich gibt es auf dem Album gute Ideen wie die Melodieführung im funky Modern Days oder das ebenso verträumte wie unerwartete Ende von Cold Heart, dessen Kinderchor man wirklich nicht hätte kommen sehen. Sailing On A Dream, das kurz David Bowie zitiert und auch mit dem Saxofon und dem recht ruppigen Bass in diese Richtung weist, ist immerhin eine gelungene Hommage, Oasis kommt mit der unnachahmlichen Gitarre und der hübschen Zeile „You make this place feel like an oasis“ dem Ziel nahe, ein paar typische Kooks-Momente einzufangen. „Die Band hat ja viele ganz unterschiedliche Alben gemacht, aber trotzdem haben wir schon einen eigenen Style. Entscheidend war dieses Mal, einfach vor nichts wegzulaufen: Wir wollten einfach machen, was wir halt machen – nur noch besser, erweitert um ein paar frische Ansätze“, sagt Pritchard dazu.
Der akustische Album-Abschluss Without A Doubt (feat. Neiked) erweist sich aber als das einzige Lied, in dem der Ansatz, mehr Freiheit zu wagen und Unnötiges wegzulassen, wirklich funktioniert. Der Song wird rund um die Zeile „Without a doubt you’re the best thing in my life“ zart und innig. Dem Rest von 10 Tracks To Echo In The Dark hört man den Anspruch an, etwas Besonderes zu machen, aber es gibt nichts, was dabei richtig zündet, strahlt oder berührt.