The Kooks – „Let’s Go Sunshine“

Künstler The Kooks

Let's Go Sunshine The Kooks Review Kritik
Einen holprigen Start hatten The Kooks bei „Let’s Go Sunshine“.
Album Let’s Go Sunshine
Label Kobalt
Erscheinungsjahr 2018
Bewertung

„How The Kooks survived the indie landfill“, hat der NME anlässlich des Erscheinens von Let’s Go Sunshine jüngst getitelt und in einer einigermaßen ausführlichen Analyse (in der es auch um Scouting For Girls und die Wombats geht) geklärt, wieso es die Band aus Brighton noch immer gibt, und wieso sich die Musikwelt – anders als bei Altersgenossen wie The Blood Arm, Good Shoes oder The Long Blondes, die ebenfalls 2006 ihre ersten Erfolge gefeiert hatten, – noch immer für sie interessiert.

Der Artikel zeichnet einen Zusammenhang zwischen Streaming-Plattformen und Konzert-/Festivalbesuchen nach, hätte aber auch deutlich kürzer ausfallen können, denn der Grund für das Überleben der Kooks liegt auf der Hand: gute Songs. Ein Beleg dafür ist nicht nur die Tatsache, dass The Kooks heute in der britischen Musikszene wahrscheinlich akzeptierter (oder zumindest: tolerierter) sind als zum Zeitpunkt ihres Durchbruchs, sondern auch der Umstand, dass ihre früheren Platten weiterhin neue Fans finden. Das Debütalbum Inside In/Inside Out hat gerade die Schwelle zum fünfachen Platinstatus überschritten.

Mit der Rolle als etablierte Band, die zeitlose Lieder schreibt, scheinen The Kooks vor ihrem heute erscheinenden fünften Album allerdings zu kämpfen gehabt zu haben. „Wir wollten mit dieser Platte definieren, wer wir sind, und wir wollten das auch für uns selbst herausfinden“, erzählt Frontmann Luke Pritchard über den Ansatz für Let’s Go Sunshine. „Wir hatten dann aber einen ziemlich holprigen Start. Wir sind 2015 ins Studio gegangen und wollten dort weitermachen, wo wir mit Listen aufgehört hatten. Dann haben wir gemerkt, dass das nicht passt, dass es sich nicht wie The Kooks anfühlt. Wir haben alles verworfen und noch einmal von vorne angefangen.“

Auch er selbst war nicht zufrieden, hatte er die Messlatte doch extrem hoch gelegt. „Ich war wild entschlossen, die besten Songs zu schreiben, die ich je geschrieben hatte. Ich habe wirklich extrem an jedem einzelnen Wort gefeilt. Diese Platte sollte unser Rubber Soul, Lola oder Definitely Maybe werden. Klassische britische Schule“, sagt er. Man merkt einigen Liedern diesen Anspruch an und, um es kurz zu machen, er tut dieser Platte nicht gut. Initials For Gainsbourg ist ein naheliegendes Beispiel, schon im Titel überambitioniert und auch in der Umsetzung unausgegoren.

Das vielleicht treffendste Exemplar für dieses Manko ist Picture Frame. Das Lied hat viele Zutaten, die ganz laut „erwachsen!“ schreien, etwa einen Walzertakt, ein Cello und Zeilen wie „Tell me the meaning of life.“ Da möchte jemand unbedingt seriös und gereift sein, aber auf der Skala von U und E waren The Kooks immer unverrückbar U, und genau das war ihre Stärke. Egal, wie sehr sie sich anstrengen würden, sie könnten es auf dem Weg in Richtung E allenfalls bis P schaffen, und deshalb klingt Picture Frame (ähnlich wie das geistesverwandte Weight Of The World mit seiner weh- und reumütigen Perspektive) in erster Linie verkrampft und blasiert. Die Last Shadow Puppets, die hier anklingen, könnten so ein Lied jedenfalls deutlich überzeugender rüberbringen; ein Sänger wie Richard Ashcroft, von dem man sich dieses Lied auch vorstellen könnte, hätte wenigstens die nötige Strahlkraft in der Stimme, um über die inhaltlichen Schwächen hinwegzutäuschen.

Es gibt etliche weitere Fehlgriffe auf Let’s Go Sunshine. Der Rausschmeißer No Pressure propagiert eine Sorglosigkeit, die man den Kooks nicht so recht abnimmt – vor allem, weil sie zu sehr einer Formel entspricht. Das „Dadada“ in Believe wirkt fast ironisch, wie die Verhöhnung des Talents zur Eingängigkeit, das man ihnen zutreffenderweise stets attestiert hat. Immerhin gibt es die schöne Zeile „Even though I didn’t love you / you made me believe in love.“ Nicht schlecht, aber auch nicht zwingend notwendig ist Honey Bee, das sich akustisch, altmodisch und unschuldig ebenfalls hörbar in der Reihe verdienter Ahnen (etwa der Everly Brothers) platzieren möchte.

Ein großes Problem des Albums ist das Tracklisting, denn mit dem Versuch, reifer zu werden, ist den Kooks einiges an Energie abhanden gekommen. Chicken Bone beispielsweise macht vieles richtig, auch wenn es einen beträchtlichen Hang zum Klischee hat. Was hier fehlt, wie bei vielen Songs, ist einfach ein bisschen mehr Fahrt: Würde man den BPM-Wert auf 140 Prozent einstellen, wäre es ein Hit. Erst nach zehn (!) Liedern gibt es mit Pamela den ersten Moment, der wirklich kraftvoll und sogar ausgelassen wird.

Ausgerechnet am Beginn von Let’s Go Sunshine tummeln sich hingegen reichlich Midtempo-Tracks. Der Beat im Auftakt Kids klingt zwar fast angeberisch plakativ, auch die Gitarre ist nicht ohne Härte, aber der Song hat insgesamt keinen Biss, sogar dem „Ohoho“ fehlt die Überzeugung. Im folgenden All The Time ist die Strophe funky wie man das von ihren jüngeren Alben kennt, der Refrain hingegen könnte von Smokie sein, so sehr stinkt er nach Gemütlichkeit und Groschenroman-Liebespoesie.

Genau diese Verliebtheit ist es freilich auch, die das Album dann doch noch rettet. „Mir ging es wirklich nicht gut, als wir mit der Platte angefangen haben, weil ich ziemlich an Liebeskummer litt“, sagt Luke Pritchard. „Aber dann, ungefähr zur Halbzeit der Aufnahmen, habe ich mich neu verliebt, und das merkt man in den Texten.“ Fractured And Dazed ist vielleicht der Song, der den Übergang zwischen diesen beiden Phasen illustriert: Das Lied wird schwelgerisch und trauert einer ganz bestimmten Liebe zu einer ganz bestimmten Person nach, feiert damit zugleich aber auch die Liebe an sich.

Four Leaf Clover ist ein Volltreffer mit allen wichtigen Kooks-Tugenden (Eingängigkeit, Charme, ein paar außergewöhnliche Ideen), Tesco Disco vereint eine klasse Atmosphäre, eine extrem hübsche Melodie und am Ende etwas Oasis-Psychedelik. Der Höhepunkt von Let’s Go Sunshine ist Swing Low: Vom ersten Ton an merkt man, dass die Kooks hier nichts weniger abliefern wollten als eine Beatles-Hymne – und sie kommen damit durch.

Natürlich zeigen The Kooks mit den stärksten Songs auf dieser Platte, dass ihr Ziel nicht unangemessen ist, ein paar bleibende Beiträge zum Great British Songbook zu liefern. Beim nächsten Mal darf es aber gerne etwas weniger Reflexion des eigenen Status und Bewusstsein über den Platz in der Musikhistorie sein – und wieder mehr Spontaneität.

Moobing in der Schule thematisiert das Video zu Four Leaf Clover.

Im Frühjahr spielen The Kooks einige Konzerte in Deutschland:

20.03.18 – Ruhrcongress (Bochum)
01.04.18 – Sporthalle (Hamburg)
02.04.18 – Tempodrom (Berlin)
03.04.18 – Haus Auensee (Leipzig)
05.04.18 – Porsche-Arena (Stuttgart)

Website der Kooks.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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