The Lemonheads – „Varshons 2“

Künstler Lemonheads

Lemonheads Varshons 2 Review Kritik
13 neue Coverversionen bieten die Lemonheads auf „Varshons 2“.
Album Varshons 2
Label Fire Records
Erscheinungsjahr 2019
Bewertung

Faulheit ist eine Eigenschaft, die gut zum Image von Evan Dando passt. Der Kopf der Lemonheads entstammt der Grunge-Bewegung, inszenierte sich stets gerne als Slacker und war selbst auf dem Höhepunkt seines Erfolgs eher bekannt für seine Lust auf Ruhm und Party als für einen besonders eifrigen musikalischen Output. Nicht zuletzt ist seine Stimme (damals schon, heute noch mehr) hochgradig tiefenentspannt. Pitchfork attestierte ihm einmal, er könne seinen Einkaufszettel in ein Telefon singen, und trotzdem klänge es noch wie ein wehmütiges 3-Minuten-Epos, das in einer Bar erklingt.

Dass er vor zehn Jahren sein letztes Album vorlegte, das damals nur Coverversionen enthielt, und nun dieses Konzept für Varshons 2 erneut wählt, könnte man auch so interpretieren, dass er keine Ideen für eigene Songs oder keine Lust mehr darauf hat. Das insgesamt zehnte Studioalbum im Oeuvre der Lemonheads zeigt aber auch etwas anderes: Als Interpret der Lieder anderer Künstler hat sich Evan Dando schon immer sehr wohl gefühlt. Im Jahr 1989 war Luka (im Original von Suzanne Vega) ihre erste Single, fast auf allen frühen Alben finden sich Coverversionen, nicht zuletzt haben die Lemonheads einer Coverversion auch ihren größten Hit zu verdanken, als sie 1992 Simon & Garfunkels Mrs Robinson leicht modernisierten und mit ein paar mehr Ecken und Kanten versahen. Dando hat wohl lange damit gekämpft, dass ihm ein vergleichbarer Erfolg nicht auch mit einem Werk aus eigener Feder gelang und er immer wieder auf dieses Lied reduziert wurde, das er nach eigenem Bekunden nie leiden konnte. Womöglich hat er diesen Kampf mittlerweile aufgegeben, frei nach dem Motto: If you can’t beat them, join ‘em.

Wer den Vorgänger Varshons aus dem Jahr 2009 kennt („Gram Parsons, Wire, and GG Allin: You’d be hard pressed to find three more disparate rock acts, yet on Varshons they all sound like the Lemonheads – boppy, overcast alt-rock delivered at a fast clip and sung in a whiskey tenor”, lobte Pitchfork damals), weiß nicht nur, welcher Sound auf Teil 2 geboten wird, sondern auch, wie gut Evan Dando tatsächlich als Sänger von fremdem Material sein kann.

Can’t Forget (im Original von Yo La Tengo) eröffnet das Album und zeigt ihn erwachsen, reif, gelassen, fast gemütlich. Paul Westerbergs Things verpasst er einen guten Groove, Speed Of The Sound Of Loneliness (John Prine) wird nur mit Gitarre und Gesang dargeboten und entfaltet dennoch eine sehr überzeugende Country-Atmosphäre, selbst ein Reggae wie Unfamiliar (The Givegoods) wirkt nicht aufgesetzt.

Oft erweist sich die zweite Stimme als wunderbares Element für diese Arrangements, etwa in Settled Down Like Rain (Jayhawks), dem sehr souveränen Now And Then (Natural Child), dem organisch und spontan klingenden Round Here (Florida Georgia Line) oder auch TAQN (The Eyes), in dem die Lemonheads ihre Lust auf Punk, Lärm und Krawall ausleben. Old Man Blank (The Bevis Frond) hat ebenfalls einen deutlich rockigeren Sound als der Rest von Varshons 2 und würde damit zu Dinosaur Jr passen, auch mit dem schroffen Gitarrensolo.

Was Dando ausnehmend gut tut, ist die weitgehende Abwesenheit von Ego, Selbstmitleid und Theatralik in diesen Songs, die wohl mit dem fehlenden autobiografischen Bezug zu tun hat. In Abandoned (Lucinda Williams) besingt er zwar ein gebrochenes Herz und eine enttäuschte Hoffnung, aber er bleibt gefasst und abgeklärt, beinahe fatalistisch. Auch die Tatsache, dass der alte Spruch von den sich angeblich anziehenden Gegensätzen manchmal nicht stimmt, wie in Magnet (NRBQ), nimmt er (in diesem Fall mit viel Drive) hin. Nick Caves Straight To You und Take It Easy (The Eagles) beschließen die Platte als die beiden Coverversionen, die am nächsten am Original sind, werden nicht wirklich essentiell, aber auch nicht daneben.

Varshons 2 legt die Vermutung nahe, Evan Dando könne mit diesem Format so etwas wie eine musikalische Heimat entdeckt haben. In jedem Fall hat er ein sehr schönes Vehikel gefunden, um ohne allzu viel Anstrengung (Stichwort: Faulheit!) weiter musikalisch im Rampenlicht zu bleiben, und allen, die von seiner Stimme nicht genug bekommen können, ein sehr hübsches neues Album zu schenken. Wer hätte gedacht, dass Zitronen so süß werden können, wenn man sie nur lange genug reifen lässt?

Die Lemonheads spielen Can’t Forget live in Cork.

Im März gibt es drei Deutschlandkonzerte der Lemonheads, bestimmt auch mit eigenen Songs:

01.03.19 München, Ampere

03.03.19 Berlin, SO36

08.03.19 Hamburg, Molotow

Website der Lemonheads.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

Alle Beiträge ansehen von Michael Kraft →

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.