The Night Is Still Young – „Universal Boundaries“

Künstler The Night Is Still Young

Universal Boundaries The Night Is Still Young Review Kritik
Nur acht Monate nach dem Debüt haben The Night Is Still Young den Nachfolger fertig.
Album Universal Boundaries
Label Radicalis
Erscheinungsjahr 2018
Bewertung

Man könnte meinen, Marco Naef sei in einem kreativen Rausch. Der Mann, der hinter The Night Is Still Young steckt, hat erst im März King Of The Bees veröffentlicht, sein Debütalbum unter diesem Namen. Zusätzlich ist der Schweizer auch in den Bands Don’t Kill The Beast und KaxXxor aktiv, die in diesem Jahr ebenfalls sehr produktiv waren.

Universal Boundaries zeigt aber vielmehr, dass er eine andere Strategie nutzt, um auf einen so stattlichen Output zu kommen: Das Album enthält vier Lieder, die eine Gesamtspielzeit von 40 Minuten füllen, und diese Zahlen sind durchaus typisch für seine Methode, in der jede Idee auf maximale Länge ausgedehnt wird. Natürlich wäre es schöner, wenn pro Idee weniger Spielzeit oder, noch besser, pro Minute Spielzeit viel mehr Ideen vorhanden wären.

Stattdessen gibt es nun Lieder wie Release The Pain, das die Platte eröffnet. Akustische und elektrische Gitarre wechseln sich ab oder ergänzen einander, das Tempo ist getragen, das Ergebnis ereignisarm. Ziemlich genau zur Hälfte, also nach knapp dreieinhalb Minuten, setzt der Gesang ein, der auch in erster Linie unauffällig sein will, später gibt es dann noch ein ausgiebiges Gitarrensolo, und schon ist man weggedämmert.

Das folgende Dreaming Of L.A. macht überdeutlich, woher bei The Night Is Still Young die Idee für diesen Sound kommt: Im Text gibt es eine Anspielung auf Jonathan Wilson („Listening to your records with a sigh / Jonathan, you are making me cry”, heißen die ersten Zeilen, denen dann ein „I don’t hate life / but I’m tired of mine“ folgt). Gerade dieser Hang zum allzu pittoresken Selbstmitleid („Killing myself with the waterpistol of my son“, lautet später in dem gut 13-minütigen Track eine Zeile) steht hier dem Ziel im Weg, es diesem Vorbild in Sachen unnachahmlichem Psychedelic-Folk-Rock gleichzutun. Ein weiteres Problem: Es gibt verhuschte Bläser und nach reichlich drei Minuten auch einen richtigen Beat, aber vor allem die akustische Gitarre klingt, als würde sie bloß die Flächen ausmalen – und zwischen diesen Flächen fehlen Konturen. Weder ist in den Liedern eine Form zu erkennen noch entwickelt die womöglich gewollte Formlosigkeit eine Magie, die bei so viel Freigeist (und so langen Songs) notwendig wäre. Vielleicht ist auch diese Abneigung gegen Festgesetztes gemeint, wenn Marco Naef später singt: „Am I real or just another one of thesse geeks? / I am struggling with my universal boundaries.“

Matthias Gusset (Klavier), David Blum (Bass) und Joachim Setlik (Schlagzeug) unterstützen ihn hier, doch auch ihr Input kann nicht dazu beitragen, dass The Night Is Still Young auch nur eine Sekunde lang so spannend oder verheißungsvoll klingen, wie es dieser Bandname vermuten ließe. Die Single Ivory Tower preist den Rückzug ins Innenleben und wird leicht spinnerter Folkrock, wie er vielleicht auch schon Buffalo Springfield gefallen hätte. We Are Doomed ist schon der zweite Track, der an der Aufgabe scheitert, den Hörer mehr als 13 Minuten lang bei der Stange zu halten. The Night Is Still Young setzen hier auf eine einsame Slide-Gitarre und Vogelzwitschern, dann auf energischen Rock, wie er etwa von den Black Keys oder dem Black Rebel Motorcycle Club vorstellbar wäre. Dann wird ausgerechnet (hach, wie subversiv!) der „We are doomed“-Teil so schön gespielt, dass er geradezu wie ein Idyll klingt. Auch die Zeile „No more pleasure without torture“, die als so etwas wie das Motto von Universal Boundaries gelten soll, findet sich hier. Die Sache mit dem Vergnügen haben die Schweizer allerdings sträflich vernachlässigt, und die Folter wird immer wieder unnötig ausgedehnt, was letztlich zum zentralen Defizit der Platte wird: Die Länge der einzelnen Stücke soll Bedeutung suggerieren, bewirkt aber nur Langeweile.

Im Auge des Betrachters liegt wohl der Reiz des Videos zu Ivory Tower.

Website von The Night Is Still Young.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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