Künstler*in | The Poison Arrows | |
Album | War Regards | |
Label | File 13 Records | |
Erscheinungsjahr | 2022 | |
Bewertung |
Gleich fünf Bands, in denen Sänger und Gitarrist Justin Sinkovich aktiv ist, listet sein Eintrag bei Discogs, nämlich Acquaintances, Atombombpocketknife, New Action Four, Thumbnail und eben The Poison Arrows. Wer nun glaubt, dies sei nur ein Nebenschauplatz in seinem künstlerischen Wirken, sieht sich auf dem heute erscheinenden War Regards, dem – eigentlich schon für eine Veröffentlichung Mai 2020 geplanten, Corona-bedingt aber immer wieder verschobenen – vierten Album der Gruppe aus Chicago, sehr schnell getäuscht.
Viel mehr zeigt die Platte die positiven Effekte davon, dass auch Bassist Patrick Morris und Schlagzeuger Adam Reach, die beiden anderen Mitglieder von The Poison Arrows, seit 30 Jahren Musik machen, ebenfalls auch in anderen Konstellationen als in dieser Zusammensetzung. Was man hier erleben kann, ist eine Auswirkung, die man vielleicht aus dem Titel des Vorgängers No Known Note (2017) ableiten kann: Es gibt fast nichts in der Musik, was hier nicht beherrscht, ausprobiert und integriert wird.
We Are Collateral zeigt das am deutlichsten: Das Stück beginnt getragen, aber sowohl der Gesang als auch die Instrumente schalten dann einen Gang hoch, bevor sich noch ein erstaunlich gut passender Rap von Sterling Hayes entfaltet. Shallow Grave baut geschickt Atmosphäre auf, Night Coffee ist markant und eingängig, mit Ein-Wort-Strophen als besonders reizvollem Effekt, das Highlight in Laterally Speaking wird der zweistimmige Gesang. War Regards eröffnet das Album als Titelsong mit einem Schlagzeugwirbel, auch danach ist alles auf den Punkt. Der Gesang ist betont cool, ohne affektiert zu wirken. Der Albumtitel geht dabei auf eine verunglückte Grußformel in einer E-Mail an Justin Sinkovich zurück, die eigentlich „Warm regards“ heißen sollte. Die neue Bedeutung durch den fehlenden Buchstaben fand er recht passend für die turbulenten Zeiten, in denen wir leben, und seine Bandkollegen stimmten ihm zu.
Mood Swings I Don’t Know wirkt zuerst fast stoisch, variiert dann aber diese Stimmung und lockert sie auf. Shattered General kann innerhalb weniger Sekunden zwischen nervös, desillusioniert, hibbelig und kraftvoll wechseln, ebenso zwischen konzentriert und nölig. Auch Seek Harbor zeigt ein wichtiges Charakteristikum von The Poison Arrows: Die Musik ordnet sich nicht dem Gesang unter, sondern ist gleichberechtigt, in vielen Passagen wirklich auf Augenhöhe. Das epische Altered Medication beschließt War Regards als sehr treffender Schlusspunkt: Es ist knapp 7 Minuten lang und wirkt durch seine Komplexität sogar noch länger, ist aber in keinem Moment langweilig.
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