The Pretty Reckless – „Death By Rock And Roll“

Künstler*in The Pretty Reckless

The Pretty Reckless Death By Rock And Roll Review Kritik
The Pretty Reckless müssen auf „Death By Rock And Roll“ auf ihrem Stamm-Produzenten verzichten.
Album Death By Rock And Roll
Label Century Media
Erscheinungsjahr 2021
Bewertung

„Welcome back to the days of old“, heißt die erste Zeile in Witches Burn, einem Lied gegen Ende dieser Platte. Besser hätten The Pretty Reckless ihr viertes Album kaum zusammenfassen können: Das Gitarrengewichse in diesem Song ist ebenso aus der Zeit gefallen wie der gepresste Gesang, auch insgesamt klingt Death By Rock And Roll sagenhaft gestrig und altbacken. Man muss an die Achtziger denken, an Wörter wie „Rockröhre“ und Gegenden wie Niedersachsen.

Ein Lied wie Rock And Roll Heaven trieft vor Klischees, in Turning Gold klingt alles, als sei es dem Baukasten für härtere Gitarrenmusik entnommen und dann handwerklich kompetent zusammengefügt, aber ohne eigene Identität. And So It Went (mit Unterstützung von Rage Against The Machines Tom Morello) wäre vor 35 Jahren interessant, vielleicht sogar spektakulär gewesen, so klingt es aber bloß wie eine härtere Version der Subways, die sich einen Kinderchor ausgeliehen haben. In Only Love Can Save Me Now kann man die Gastbeiträge von Matt Cameron (Pearl Jam) und Kim Thayil (Soundgarden) deutlich erkennen, allerdings erdrückt ein uncooles Pathos alles, was hier reizvoll werden könnte.

Was Taylor Momsen daran so attraktiv findet, dass die ehemalige Gossip Girl-Darstellerin für ihre Position als Frontfrau von The Pretty Reckless 2012 die Schauspielerei an den Nagel hing, kann man noch halbwegs nachvollziehen. Die heute 28-Jährige stammt aus einer katholischen Familie und war später als Kinderstar und -Model früh von den Fettnäpfchen der in den USA allgegenwärtigen Political Correctness geprägt. Aus solchen Umständen mittels Lederjacke und E-Gitarre (oder eben nackt wie auf dem Albumcover) auszubrechen und fortan Sex, Gefahr und Rebellion zu zelebrieren, kann offensichtlich noch immer eine wirkungsvolle Strategie zur Selbstfindung sein.

Erstaunlich ist jedoch, wie erfolgreich diese sehr altmodische Musik auch anno 2021 ist. Das vor zwölf Jahen gegründete Quartett aus New York City hat im Vorprogramm für Evanescence, Soundgarden und Guns’N’Roses gespielt, die Vorab-Single Death By Rock And Roll ist bereits ihr fünfter Nummer-1-Hit in den US-Rock Charts – und das, obwohl der Sound bei aller Energie und reichlich Schmackes (so darf man das in diesem Genre wohl nennen) nach längst vergessenen Größen wie Gun oder Alannah Myles klingt und im Text wieder einmal die Todessehnsucht als Spektakel inszeniert wird. Tod ist ohnehin ein beliebtes Thema bei The Pretty Reckless, hießen frühere Singles doch beispielsweise Make Me Wanna Die oder Kill Me und wird auch diesmal etwa in My Bones gerne mit morbiden Elementen (und deutlichen Metal-Einflüssen) kokettiert.

„In vielerlei Hinsicht fühlt sich das neue Album wie eine Wiedergeburt an“, sagt Taylor Momsen trotzdem zur Veröffentlichung von Death By Rock And Roll, bei dem die Band erstmals nicht mit dem 2018 verstorbenen Produzenten Kato Khandwala (My Chemical Romance, Paramore, Blondie) zusammenarbeitet. Das beste Lied des Albums wird 25, das etwas düster und dramatisch zunächst zwischen Grunge-Reflexion und Bond-Theme schwankt und dann im Break mit Beatles-Einflüssen überrascht. Auch das akustisch-entspannte Got So High zeigt, dass Zwischentöne mitunter besser zu The Pretty Reckless passen als Kraftmeiern. Das gilt auch für das mit Streichern angereicherte Standing At The Wall oder den leicht countryfizierten Album-Abschluss Harley Darling, bei denen man etwa an Sheryl Crow denken kann. In dieser Inkarnation ist das Quartett viel besser als mit seinem Hardrock-Gestus, für den The Pretty Reckless viel zu wenig glaubwürdig dreckig sind und viel zu klinisch im Sound agieren, damit man auch ja jedes Fitzelchen an Virtuosität erkennt.

Blitze, Nippel und alte Männer: Vielleicht zeigt der Clip zu Only Love Can Save Me Now das Erfolgsgeheimnis.

Website von The Pretty Reckless.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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