The Shins – „Oh, Inverted World“

Künstler The Shins

The Shins Oh, Inverted World Review Kritik
Das Cover von „Oh, Inverted World“ wurde für das 20th Anniversary Remaster, höho, invertiert.
Album Oh, Inverted World (20th Anniversary Remaster)
Label Sub Pop
Erscheinungsjahr 2021
Bewertung

James Mercer hätte allen Grund, mit Oh, Inverted World zufrieden zu sein. Das Debütalbum der Shins, die er in Albuquerque, New Mexico, als Nebenprojekt zu seiner anderen Band namens Flake Music gegründet hatte, erreichte Platz 14 in den US-Charts, bekam eine Goldene Schallplatte und landete in einigen Listen der „Besten Alben des Jahres 2001“, sogar in einigen mit den besten Alben des Jahrzehnts. „Diese Platte gab mir das Leben, von dem ich nie wirklich zu träumen gewagt hatte. Es öffnete mich für die ganze Welt und gab mir Bestätigung. Es ist auch etwas, das ein bisschen wie ein Höhepunkt für unsere Band ist“, sagt er heute, mittlerweile einziges dauerhaftes Mitglied bei The Shins und der einzige, der vom Personal aus der Anfangsphase der Band übrig geblieben ist.

Zugleich war der Bandleader – obwohl er Oh, Inverted World damals selbst produziert hatte – nie so richtig begeistert vom Klang der Platte. Das 20. Jubiläum nutzt er nun, um beide Eindrücke zusammenzuführen: Mit einem neuen Mastering von Bob Ludwig wurde der Sound für das 20th Anniversary Remaster aufpoliert, dazu gibt es ein neues Cover sowie ein Booklet mit Vintage-Fotos, handgeschriebenen Texten und Liner-Notes. Und Mercer will mit dieser Neuauflage natürlich auch die Bedeutung des Albums feiern: „Es ist ein besonderer Moment, wenn du eine neue Band bist und du einen scheinbar neuen Sound hast. Diese Platte symbolisierte einen ganz besonderen Moment in meinem Leben, einen Wendepunkt, ganz sicher.“

Erheblichen Anteil daran hatte natürlich der zweite Frühling, den die Platte bekam, als zwei ihrer Songs 2004 im Soundtrack von Garden State eingesetzt wurden. Die Single New Slang ist einer davon. Als Natalie Portman im Film zu Zach Braff sagt „This music will change your life“, war das sicherlich die Initialzündung für den Aufstieg der Shins von einer Indie-Band, deren Potenzial gelobt wurde, zu einem globalen Phänomen. Es ist auch 20 Jahre später nicht schwierig, diesen Satz nachzuvollziehen, so viel Sensibilität und Fantasie stecken in New Slang – natürlich auch ein attraktiver Gegenentwurf in einer Zeit, in der Limp Bizkit, Eminem oder Linkin Park die Charts prägten. Oh, Inverted World hatte bei der ersten Veröffentlichung bereits beachtliche 100.000 Exemplare verkauft, nach Garden State kam dann noch einmal ein Vielfaches davon dazu.

Caring Is Creepy ist der zweite Song aus dem Soundtrack des Films, zugleich der Opener der Platte. Auch hier wird schnell deutlich, worin der Reiz dieser Musik liegt: The Shins vereinen Schmerz, Taumel und Unschuld, ihre Musik verweist auf eine lange Ahnenreihe und verströmt zugleich eine große Aktualität, weil sie ganz im Moment lebt. Auch One By One All Day zeigt dieses Zusammenspiel: Die Basis ist ein Jangle, dessen Effekt man seit Jahrzehnten kennt, aber sie wird mit einer sehr originellen Dramaturgie kombiniert. Einen ähnlichen Effekt kann man in Girl Inform Me beobachten: James Mercer, Marty Crandall (Keyboards), Neal Langford (Bass) und Jesse Sandoval (Schlagzeug) können verspielt und eigen sein, aber das geht nicht auf Kosten der Unmittelbarkeit oder Wirkung.

The Celibate Life zeigt den eigentümlichen Groove, den sie auch in späteren Besetzungen gerne entwickelt haben, ebenso wie den sehr eigentümlichen Retro-Lofi-Sound, den es bei ihnen gibt. Your Algebra wird psychedelisch und sogar gespenstisch, Know Your Onion ist ein weiterer fast prototypischer Shins-Moment: Alles klingt heiter und unschuldig (das kann gar nicht anders sein, wenn James Mercer singt), aber der Rest legt einen Mantel aus Melancholie um diesen Sound.

Weird Divide schwankt zwischen dem Wagemut der Beatles und dem Wahnsinn von Ween, Pressed In A Book rückt mit seiner angedeuteten Aggressivität näher an Weezer als an The Byrds. Girl On The Wing unterstreicht ebenfalls, dass Schwung für diese Band kein Fremdwort ist, und Harmoniegesang schon gar nicht. Der akustische Album-Abschluss The Past And Pending bringt mit seiner sehr schönen Atmosphäre die Wirkung der Platte noch einmal auf den Punkt. Dieser Song ist wie eine tröstende Hand, die sich auf deine Schulter legt und sagt: Ich verstehe dich, das wird schon. „Man veröffentlicht die erste Platte und sie wird so gut angenommen, aber man versucht immer, diese Magie zurückzubekommen“, sagt James Mercer im Rückblick. „Das ist uns sicherlich gelungen, aber die Begeisterung, die um Oh, Inverted World herum entstand, haben wir nie wieder ganz erreicht.“

Die Kopfhörertechnologie hat sich seit 2001 weiterentwickelt, zeigt das Video zu New Slang.

Website von The Shins.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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