Film | The Voyeurs | |
Produktionsland | USA | |
Jahr | 2021 | |
Spielzeit | 116 Minuten | |
Regie | Michael Mohan | |
Hauptdarsteller*innen | Sydney Sweeney, Justice Smith, Ben Hardy, Natasha Liu Bordizzo | |
Bewertung |
Worum geht’s?
Die angehende Optikerin Pippa und der Musiker Thomas beziehen ihre erste gemeinsame Wohnung in Montreal. Das Pärchen freut sich über das neue Zuhause in bester Lage und wird schon bald auf die Nachbarn im Haus gegenüber aufmerksam. Dort wohnt ebenfalls ein junges Pärchen, an dessen Leben sie dank der großen, unverhüllten Glasfenster beinahe zwangsläufig teilhaben. Erst aus Neugier, dann aus Faszination werfen Pippa und Thomas immer wieder ein paar Blicke auf das Geschehen auf der anderen Straßenseite, sie denken sich zunächst Namen und fiktive Charakteristika für die Nachbarn aus, dann merken sie, dass die Voyeur-Perspektive ihrem Sexleben einen Kick gibt, sodass ihre Neugier immer weiter wächst. Unter einem Vorwand schleichen sie sich während einer Party bei den Nachbarn ein und installieren eine Abhöreinrichtung. Schon bald bringt sie das damit gewonnene Wissen aber in die Bredouille: Pippa ist durch Zufall ihrer Nachbarin Julia begegnet und kann ihr jetzt nicht offenbaren, dass sie von ihrem Mann Sebastian, einem erfolgreichen Fotografen, regelmäßig betrogen wird, weil sie dann auch preisgeben müsste, woher sie das weiß. Thomas ist die Rolle als Spanner nach und nach unangenehm, doch er kann Pippa nicht davon abbringen, immer weitere Grenzen zu überschreiten.
Das sagt shitesite:
Viele Kritiker haben The Voyeurs – kein Wunder bei diesem Titel – mit Klassikern des Genres wie Hitchcocks Das Fenster zum Hof verglichen und waren im Ergebnis entsprechend enttäuscht. Das verkennt indes den besonderen Fokus dieser Amazon-Eigenproduktion: Auch hier geht es um den Menschen als vor allem visuelles Wesen, um den Nervenkitzel, den es bedeuten kann, wenn man an einem anderen Leben teilhaben kann – erst recht, wenn diese Einblicke möglichst intim sind und man selbst dabei sicher sein kann, nicht erkannt zu werden. Doch viel mehr als die historischen Vorbilder zielt der Film auf die digitale Gegenwart, in der Voyeurismus ebenso allgegenwärtig ist wie sein Gegenteil: Das Prinzip von „Sehen und gesehen werden“, das vor allem die Social-Media-Plattformen prägt, wird hier in ein analoges Setting übertragen: Die einen leben wie auf dem Präsentierteller und haben kein Problem daran, die Welt an ihrem Alltag (bis hinein ins Schlafzimmer) teilhaben zu lassen. Die anderen schauen vermeintlich anonym zu oder interagieren mit einem eigenen Code und in der Hoffnung, damit ihre eigene Attraktivität zu steigern. Sie fühlen sich in einer souveränen Position, merken aber nicht, wie ihre Aufmerksamkeit und ihr Verhalten immer mehr manipuliert werden. So entsteht ein komplexes Netz aus Nähe und Fremde, Vertrautheit und Inszenierung.
The Voyeurs ist bei der Annäherung an dieses Phänomen leider nicht so klug, wie Regisseur Michael Mahon es wohl gerne gehabt hätte. Immer wieder werden hier spannende, auch tiefgründige Fragen angerissen, vom Zusammenspiel zwischen Exhibitionismus und Privatsphäre bis hin zur Verantwortung, die aus Informationen erwachsen kann, die man auf unlautere Weise erlangt hat, deren Weitergabe aber womöglich dennoch moralisch geboten wäre. Auch die Tatsache, dass natürlich auch die Amazon-Prime-Zuschauer*innen hier zu Voyeur*innen werden, hätte man prominenter thematisieren können. Doch das Potenzial dieser zusätzlichen Dimensionen wird hier nicht einmal im Ansatz ausgeschöpft: Im Zweifel bleibt der Film an der Oberfläche. Dazu passt auch die Vorliebe für Hochglanzbilder und Anspielungen auf diverse Werkzeuge und Phänomene der Optik, so werden in einer Szene beispielsweise die Präzisionsgeräte der Augenmedizin fast erotisch inszeniert.
Insgesamt bietet der Film aber solide Unterhaltung, die zum einem von der erwähnten Peep-Show-Perspektive lebt, zum anderen vom Konflikt, der nach und nach zwischen Pippa und Thomas entsteht, als sich bei ihm der Anstand durchsetzt, während bei ihr die Gier nach Nervenkitzel überhand nimmt. Was zunächst wie ein künstlich gestylter Erotikthriller in der Machart beispielsweise von Sliver daherkommt, überrascht dann vor allem mit einer spektakulären Eskalation und mehreren eindrucksvollen (wenn auch nicht sehr plausiblen) Pointen.
Bestes Zitat:
„Es ist allgemein bekannt, dass ein gebrochenes Herz am schnellsten heilt, wenn man den ungesündesten und krassesten Scheiß anstellt, den man sich ausdenken kann.“
Der Trailer zum Film.