The Wombats – „Beautiful People Will Ruin Your Life“

Künstler The Wombats

The Wombats Beautiful People Will Ruin Your Life Kritik Rezension
An drei verschiedenen Orten entstand das neue Album der Wombats.
Album Beautiful People Will Ruin Your Life
Label Kobalt
Erscheinungsjahr 2018
Bewertung

Für Künstler wie Ludwig Mies van der Rohe hat es perfekt funktioniert, warum sollte es da 100 Jahre später nicht auch eine gute Idee für die Wombats sein? Der Architekt war einer der ersten, die den Leitspruch von „Weniger ist mehr“ populär gemacht haben. Und dieses Prinzip spielt auch auf dem vierten Album des 2003 am Liverpool Institute of Performing Arts gegründeten Trios eine Rolle.

Das gilt nicht in dem Sinne, dass Beautiful People Will Ruin Your Life ein Unplugged-Album geworden wäre oder eines mit extrem reduzierten Songs. Im Gegenteil: Gemeinsam mit den Produzenten Mark Crew (Bastille, Rag’n’Bone Man) und Catherine Marks (Wolf Alice) haben die Wombats etliche Elemente aus Elektropop und sogar Rap in ihren Sound integriert, auch im Hinblick auf die Texte ist noch einmal eine deutliche Weiterentwicklung zu erkennen. Etwas weniger als gewohnt bietet die Platte aber in punkto Unmittelbarkeit. „Ich wollte ein Album, das ein bisschen cooler klingt. Entspannter. Eines, das einem nicht jedes Mal direkt ins Gesicht springt, wenn man es anhört”, sagt Sänger Matthew „Murph“ Murphy, auch wegen der Erfahrung mit dem Vorgänger Glitterbug. „Ich mag die Songs darauf, aber es fühlte sich ein wenig so an, als hätten wir alle Ideen zusammengeworfen. Wir mussten diesmal unserer Intuition mehr vertrauen.”

Ein Lied wie der vorzügliche Vorab-Track Lemon To A Knife Fight zeigt, wie das gemeint ist: Der Song bleibt bewusst bei 90 statt 110 Prozent, hat aber trotzdem die Leidenschaft, Eingängigkeit und Verzweiflung der größten Wombats-Hits. Auch Black Flamingo verkneift sich das letzte Bisschen an zusätzlichem Punch, will stattdessen lieber elegant und souverän sein – und schafft das auch. White Eyes ist der vielleicht reifste Moment auf Beautiful People Will Ruin Your Life, das Lied handelt vom Kampf um Gleichgewicht und Harmonie in einer Beziehung, genau wissend, dass sie genau deshalb so besonders und spannend ist, weil dieser Zustand nie erreicht wird. Der Album-Schlusspunkt I Don’t Know Why I Like You But I Do bekommt durch die Gitarre etwas mehr Melancholie als der übliche Wombats-Song, durch den Text etwas mehr Romantik.

„Auf dem letzten Album ging es darum, wie ich jemanden kennengelernt habe und mein Leben in Los Angeles völlig auf den Kopf gestellt wurde – zu viele Partys, zu viele Probleme. Dieses Album schließt insofern daran an, dass ich dagegen angekämpft habe und versuche, ein erwachsenes Leben zu führen. Und dabei scheitere”, erzählt der frisch verheiratete Murph. Seine Fähigkeit, die Fallstricke der Zweisamkeit in ebenso prägnante wie tragikomische Zweizeiler zu packen, ist auch diesmal wieder eine der großen Stärken der Wombats. In Cheetah Tongue nutzt er Metaphern aus der Tierwelt für den Ausnahmezustand des Verliebtseins. Turn erweist sich als sehr cleveres und besonderes Liebeslied mit der Erkenntnis: Es zählen die kleinen Dinge, nicht die großen Dramen; es geht um das Verzeihen der kleinen Macken statt um pompöse Worte und Gesten.

„I’m immune to good advice“, bekennt der Sänger in Ice Cream, das mit einem eigentlich ziemlich brutalen Riff zu einem erstaunlich kantigen Song wird, aber auch die typische Portion Putzigkeit abbekommt. Dip You In Honey erinnert an diese andere Band aus Liverpool, nicht nur im leicht psychedelischen Sound, sondern auch im uneingeschränkten Optimismus und Glauben an Zusammenhalt. Out Of My Head würde zu Robbie Williams passen, mit seiner Analyse von existenzieller Verzweiflung und Sinnsuche und dem sehnsüchtigen Blick auf Hedonismus als niemals funktionierende und trotzdem verlockende Antwort darauf.

Neben der schieren Klasse der Songs erstaunt an Beautiful People Will Ruin Your Life am meisten, wie geschlossen das Album klingt. Denn die Entstehungsgeschichte war ein Novum für die Wombats: Die Lieder entstanden an drei unterschiedlichen Orten (Schlagzeuger Dan Haggis lebt in London, Bassist Tord Øverland Knudsen verbringt die meiste Zeit bei seiner Familie in Oslo, Murph war schon zu Zeiten von Glitterbug nach Los Angeles gezogen). Während einer zweiwöchigen Session in Oslo wurden die Ideen dann ausgearbeitet, und geschadet hat das weder der Musik noch der Atmosphäre innerhalb der Band, meint Murph: „Wir sind uns jetzt auf vielen Ebenen näher – musikalisch und persönlich – und ich finde, das hört man.“

I Only Wear Black ist der Song, der das vielleicht am deutlichsten zeigt. Die Wombats klingen darin ein wenig, als hätten sie sich nicht nur in Schwarz ge-, sondern auch als The Strokes verkleidet, trotzdem sind sie voll und ganz bei sich selbst. „Das ist der Song, der mich am besten repräsentiert. Er wird meinen sprunghaften Launen gerecht und kommt von allen unseren bisherigen Songs am nächsten an Let’s Dance To Joy Division heran. Der Text erfasst die ganze Essenz der Wombats.”

Ein weiteres Highlight ist das unfassbar eingängige Lethal Combination, ein Bekenntnis zu Unvernunft, Spaß und Exzess (inklusive der Ermahnung: „If you remember this tomorrow, then you’re doing it wrong“), auch zur Freude am Konflikt und zu den heilsamen Effekten des Nicht-Nachtragend-Seins. Das Lied handelt davon, „dass meine Partnerin und ich uns gegenseitig fertigmachen“, sagt Murph. „Wir sind eigentlich echt nicht gut füreinander, aber keiner von uns wird daraus irgendwelche Konsequenzen ziehen. Das ist ihr Lieblingssong.”

Auch er selbst ist durchaus zufrieden mit Beautiful People Will Ruin Your Life: „Ich glaube, ich war noch nie so stolz. Wenn es schwierig wird, finden wir immer einen Ausweg. Wir haben durchaus schon öfter einen aufs Dach bekommen, aber es hat uns nur stärker gemacht. Es ist wie in dem Film Die Verurteilten, wo der Darsteller durch einen Fluss voll Scheiße schwimmt und auf der anderen Seite sauber rauskommt. Das ist dieses Album für mich. Es ist das Album, das wir schon lange hätten machen sollen.”

Workout! Das verstörende Video zu Cheetah Tongue.

Demnächst sind die Wombats in Deutschland auf Tour:
06.04.18 – Jovel (Münster)
07.04.18 – E-Werk (Köln)
10.04.18 – Neue Theaterfabrik (München)
15.04.18 – Astra (Berlin)
16.04.18 – Docks (Hamburg)

Website der Wombats.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

Alle Beiträge ansehen von Michael Kraft →

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.