Künstler | Tiemo Hauer | |
Album | Ein kurzes für immer | |
Label | Radicalis | |
Erscheinungsjahr | 2019 | |
Bewertung |
„Einsam sein kann er auch allein / also lass ihn frei“, singt Tiemo Hauer in Auch allein, dem fünften von sieben Liedern auf seiner neuer EP. Die Person, über die er hier singt, begleitet von ein bisschen Eighties-Indie-Ästhetik, scheint zunächst ein eifersüchtiger Ex oder ein guter Freund zu sein. Nach und nach wird allerdings klar: Dieser Mann, der sowohl einsam ist als auch sein eigenes Gefangensein nicht erkennt, ist er selbst. Der 29-Jährige wirft hier einen Blick von außen auf die eigene Person.
Das ist eine wichtige Erkenntnis für Ein kurzes für immer, das erste neue Werk des Stuttgarters seit dem Album Vernunft, Vernunft (2016). Die Lieder darauf sind im höchsten Maße autobiographisch, und sie kennen nur ein Thema: Liebeskummer. Im Sommer 2018 wurde Tiemo Hauer von seiner langjährigen Freundin verlassen, und die EP wirkt wie ein einziger Brief an die Ex mit der Botschaft: Es war doch so schön mit uns, und jetzt tut es so sehr weh, wollen wir es nicht noch einmal versuchen?
„An diesen Songs ist einfach alles anders als bisher“, sagt Tiemo Hauer im Gespräch mit Stadtkind Stuttgart über die sieben neuen Lieder, die er ursprünglich nur zum persönlichen Frustabbau schrieb, ohne die Absicht, sie zu veröffentlichen. „Sie sind wie Tagebucheinträge, die eigentlich niemand sehen sollte. Das war mein Weg, mit dieser schwierigen Situation umzugehen, um nicht daran zu zerbrechen.“ Auf diesem Weg gelingen ihm intime Momente, gute Texte und eine eigene Ästhetik, die auch im speziellen Entstehungsprozess dieser EP begründet ist. „Zwischen der ersten geschriebenen Zeile und der Veröffentlichung liegen auf dem konventionellen Weg oft ein Jahr oder mehr. Doch die in Musik gefassten Gefühle sollten hörbar sein, solange sie noch in mir sind“, erklärt er, warum er alles innerhalb weniger Wochen selbst eingespielt hat, ohne Produzent und im heimischen Studiokeller.
Vor diesem Hintergrund – sowohl hinsichtlich seiner Gefühlslage als auch hinsichtlich der Produktionsbedingungen – wird der Auftaktsong Ich hasse noch ein bisschen einleuchtender: Tiemo Hauer zeigt sich darin maximal schlecht gelaunt und braucht nur Gesang und ein paar Keyboard-Akkorde, um das zum Ausdruck zu bringen. Er weiß um das Paradox, dass er selbst den Hass (und auch dieses Lied, wie er anmerkt) hasst, und er spürt doch, dass er diesen Hass braucht, um sich selbst zu definieren und ein Ventil für seinen Schmerz zu finden.
In Zu weit weg zeigt er sich als Romantiker und Melancholiker, er besingt die großen Gefühle, aber kitschfrei. Bass und Beat von Du fehlst verweisen auf Joy Division. Das nicht einmal 90 Sekunden lange Stück ist nicht so sehr ein Song als vielmehr ein vertontes Gefühl, und dieses Gefühl heißt Verzweiflung. Im Titelsong, dem besten Lied auf dieser EP, ist er unverkennbar am Ende einer Liebe angekommen, die sich einmal angefühlt hatte, als halte sie ewig: „Es liegt in Trümmern / unser für immer.“
Die Perspektive in Maximum an Glück ist die eines Liebenden, der nicht loskommt von der Person, die sich von ihm abgewendet hat. Das offenbart ein bedrohliches Stalker-Element, obwohl das Lied die eigene Fixiertheit so eingehend reflektiert. Vermüssen handelt von einem Mann, der vom Liebeskummer ruiniert wird, völlig aus der Spur gerät und sich zurückzieht von allen und allem. „Er will nie wieder vermissen müssen“, lautet die Begründung dafür.
„Es ist schön, meine Gefühle des letzten halben Jahres mit Menschen teilen zu können, es wühlt aber auch genau diese wieder auf. Dadurch mache ich mich angreifbar – als Musiker und Mensch. Doch dieses Risiko gehe ich gerne ein“, sagt Tiemo Hauer. Für das nächste Album, an dem er bereits arbeitet, wird er natürlich auch wieder andere Themen brauchen. Als EP funktioniert Ein kurzes für immer indes wunderbar – nicht nur für Leidensgenossen mit gebrochenem Herzen, sondern wohl auch als Möglichkeit für ihn, über das Aus seiner Beziehung hinweg zu kommen.