Künstler*in | Tiny Moving Parts | |
Album | Celebrate | |
Label | Big Scary Monsters | |
Erscheinungsjahr | 2016 | |
Bewertung |
Manchmal kann man es in dieser komplizierten, aufreibenden, erschütternden Welt ganz einfach haben. Nehmen wir zum Beispiel einmal an, man hätte sich entschieden, einen bestimmten Musikstil besonders wertzuschätzen. Meinetwegen Emo. Dann wäre es möglich, eine Band zu finden, die genau diese Lieblingsmusik macht. Meinetwegen Tiny Moving Parts aus Minnesota. Dann könnte einem das Vergnügen widerfahren, ein Lied zu hören, in dem alles drin steckt, was man an dieser Musik liebt.
Good Enough, der Auftakt dieses Albums, ist dieses Lied. Die Gitarre darin ist hoch komplex, die Herangehensweise einfühlsam, das Finale hymnisch und die Dramaturgie voller Start-Stop-Überraschungen, die deutlich machen, dass Sänger und Gitarrist Dylan Mattheison und seine Cousins Billy und Matthew Chevalier auch wuchtig und sogar brachial sein können. Das dritte Album des Trios, produziert von Vince Ratti (Circa Survive, The Wonder Years, Title Fight), bleibt auch danach ein Genuss. Breathe Deep klingt wie hyperaktive Get Up Kids, Volumes wird mitreißend, aufbauend und erhebend, Minnesota ist ein weiteres Beispiel für die sehr filigrane Gitarrenarbeit und den Überfluss an Ideen bei Tiny Moving Parts.
Die Single Happy Birthday feiert das Leben inklusive seiner Fehler. Gerade für alle, die sich in der Zeile „I think I think too much“ wiedererkennen, ist es darin höchst angebracht, auch mal das „Celebrate“ herauszuschreien (und in die Tat umzusetzen), das dem Album den Titel gegeben hat, angereichert wird das mit Harmoniegesang und Streichern. Headache glänzt mit einem irren Schlagzeug, sowohl in der Geschwindigkeit als auch in der Kraft, der Gesang wird ebenso eingängig wie herzzerreißend und als Bonbon für die Fans der ersten Stunde gibt es im Text noch eine kleine Anspielung auf das eigene Debütalbum This Couch Is Long & Full Of Friendship.
Zum Start von Birdhouse klingen Tiny Moving Parts wild, rasant und halsbrecherisch, später wird der Song aber verträumt und fragil. Auch dieses Stück zeigt: Jedes Gefühl wird auf Celebrate ins Extrem getrieben, aber das wirkt weder geschauspielert noch übertrieben. Das gelingt auch, weil das Trio viel Drive und Energie hat, seine Lieder aber immer wieder mit Brüchen ausstattet, wie man es in Minnow am besten beobachten kann. In Common Cold mit Gastgesang von Conor Murphy (Foxing) kann man ebenso beeindruckt sein von der handwerklichen Klasse der Komposition wie erschüttert von Dylan Mattheisons „I can’t breathe“-Hilfeschrei. Stay Warm ist das Lied, das den Übergang von Verzweiflung zur Katharsis, den man auf diesem Album (und natürlich bei Emo generell) finden kann, am besten auf den Punkt bringt. Auch hier ist es der Gesang, der dabei für die Unmittelbarkeit sorgt, sodass man sich dem Urteil von The Alternative über die Stimme von Dylan Mattheison nur anschließen kann. Demnach sind die Silben, die auf Celebrate aus seinem Mund kommen, durchweg „urgent cries of despair and relief, trying to find some form of hope to hold onto“.