Künstler | Toy | |
Album | Clear Shot | |
Label | Heavenly | |
Erscheinungsjahr | 2016 | |
Bewertung |
Cinema heißt das letzte Lied auf dem dritten Album von Toy, und das ist der wichtigste Hinweis auf den Charakter von Clear Shot. Das Quintett aus Brighton setzt etwas weniger auf Rhythmus und deutlich mehr auf Kopfkino. Manchmal nutzen sie die Möglichkeiten von Struktur und Kraft, mindestens ebenso oft sind die Stücke frei fließend und atmosphärisch. Im Fall von Cinema sind alle Instrumente schon vor dem ausgiebigen Feedback-Solo auf großen Effekt aus, trotzdem klingt es nicht großspurig oder kalkuliert, sondern überraschend und faszinierend.
Ennio Morricone, Bernard Herrmann und John Barry benennen Toy als Einflüsse für die Platte, der noch offensichtlichere Grund für die Veränderung in ihrem Sound hat allerdings mit zwei anderen Personen zu tun: Alejandra Diez (Synthesizer) gehört nicht mehr zur Band, Dan Carey hat nicht mehr produziert. Max Oscarnold und David Wrench haben ihre jeweiligen Positionen eingenommen.
Die damit einhergehenden Veränderungen im Vergleich zum Vorgänger Join The Dots (2013) haben manche Fans als Stilbruch, andere als Weiterentwicklung betrachtet. Mit etwas Abstand erscheint Letzteres als die zutreffende Interpretation, nicht zuletzt als Wegbereiter für den gefeierten Nachfolger Happy In The Hollow, der drei Jahre später folgen sollte. Der Titelsong als Auftakt von Clear Shot ist dafür ein gutes Beispiel: Das Stück beginnt mit einer schroffen Gitarre, zu der sich dann dieser erstaunlich jungenhafte Gesang von Tom Dougall gesellt, bevor der Song nach gut drei Minuten reichlich Drive und viel mehr Direktheit entwickelt.
Fast Silver verweist erneut auf die filmische Komponente, in diesem Fall auf so etwas wie einen Psycho-Western. Nur der Refrain lässt etwas Licht in die bedrohliche, beklemmende Atmosphäre. Spirits Don‘t Lie kommt in der ersten Hälfte einer Ballade nahe, in der zweiten Hälfte ebenfalls einer Filmmusik. Clouds That Cover The Sun klingt, als wolle es sich in eine Trance hineinschunkeln, die Jungle Games scheinen auf einem Horror-Jahrmarkt stattzufinden, auf dem sich am Ende großes Drama abspielt.
Ein Höhepunkt auf Clear Shot ist Dream Orchestrator: Das Stück ist geprägt von einem energischen Beat, auch die anderen Instrumente sorgen für vergleichsweise hohe Dringlichkeit und der Gesang lässt sich zumindest etwas davon anstecken. „No holding back“, wie die erste Zeile des Refrains heißt, scheint hier tatsächlich ihr Motto zu sein. In I’m Still Believing warten Toy nicht nur mit viel Unbeschwertheit und Zuversicht auf, sondern auch mit der besten Melodie des Albums.
In Another Dimension rückt die Stimme von Tom Dougall besonders nahe an Matthew Caws (Nada Surf), der dazugehörige Song beginnt schön und wird dann im Refrain noch schöner. Ein Element, das man auf Clear Shot häufig beobachten kann, wird hier besonders deutlich: Die Stimme bleibt selbst im Refrain erstaunlich weit im Hintergrund, stattdessen darf ein analoger Synthesizer strahlen. Bei Retro- und Verschleierungskünstlern wie Toy liegt die andere Dimension natürlich auch in einer anderen Zeit und lässt sich kaum konkret umfassen: „Now you’re ready for another dimension / in another time / you won’t be sorry / ‘cause there’s nothing to draw from / or to quantify.“ Noch wichtiger für das Verständnis dieses Abums ist indes eine Zeile in We Will Disperse: „It’s good to shake things up / even when it hurts / and it always does.“