Toy – „Songs Of Consumption“

Künstler Toy

Toy Songs Of Consumption Review Kritik
Acht Coverversionen haben Toy auf „Songs Of Consumption“ versammelt.
Album Songs Of Consumption
Label Tough Love Records
Erscheinungsjahr 2019
Bewertung

Happy In The Hollow heißt das vierte Album von Toy, das erst im Januar erschienen ist. Es platzte beinahe vor Vielfalt – viel mehr Zutaten auf eine Platte zu packen, sollte kaum mehr möglich sein. Trotzdem legt das britische Quintett jetzt schon wieder nach. Songs Of Consumption enthält acht selbst produzierte und im Heimstudio aufgenommene Lieder, die im Original von Künstlern stammen, von denen die Band bis dato entscheidend inspiriert worden ist.

Songs of Consumption ist klanglich eine Fortsetzung und Entwicklung der Konzepte auf Happy In The Hollow, und es wird den Menschen zeigen, wohin wir musikalisch gehen“, sagen Toy dazu. Sie setzen hier also eine einleuchtende, aber nicht allzu oft verfolgte Idee um, die man so zusammenfassen könnte: Lass uns mal andere Lieder covern und bearbeiten, dann entdecken wir vielleicht, was unsere originäre Ästhetik ist und können diese dann auch gezielter für die eigene Musik einsetzen.

Bezeichnenderweise entsteht dabei eine ziemlich radikale Abkehr vom Sound, der zuletzt ihre Lieder geprägt hat. Minimalismus und Klarheit sind hier die Prinzipien, nicht mehr Komplexität und Nebel. „Der Do-it-Yourself-Ansatz wurde weiter erforscht, indem wir mehr von den elektronischen Elementen verwendet haben, die wir schon zuvor eingebunden hatten. Schlagzeugcomputer, reduzierte Arrangements und rudimentäre Produktion ergeben einen primitiven Sound, der unserer Meinung nach zur Auswahl der Songs passt. Einige der Songs haben eine sehr groß klingende Produktion, also wollten wir mit ihnen experimentieren, indem wir in eine entgegengesetzte Richtung gingen“, erklärt die Band.

Down On The Street (die Vorlage stammt von The Stooges) setzen sie mit einem sehr simplen Computerbeat und monotonem Bass um, sodass man im Ergebnis an Suicide denken kann. Cousin Jane ist im Vergleich zum Original von The Troggs kaum wiederzuerkennen und erstaunt auch mit dem Nachweis, dass man nur drei Instrumente braucht, um sagenhaft psychedelisch klingen zu können. Follow Me (einst gesungen von Amanda Lear) inszeniert Verletzlichkeit als Element der Verführung und würde in dieser Inkarnation gut zu Erasure passen, Fun City (im Original von Soft Cell) schält die Verzweiflung heraus, die in Glamour stecken kann.

Bei näherer Betrachtung findet man in dieser Auswahl natürlich doch Parallelen zum üblichen Werk von Toy. Fast alle Songs hier thematisieren Leere und die Suche nach Größe, Verlorensein und die Suche nach Wärme – das sind Motive, die sich auch auf ihren bisherigen vier Alben regelmäßig fanden. Toy begründen ihre Auswahl noch mit einem anderen Argument: „Musik ist heutzutage zu einem reinen Konsumgut verkommen, während diese Lieder aus einer Zeit stammen, in der Musik das Wichtigste war. Unser Ansatz war, sie wieder auf die Essenz dessen zu reduzieren, was sie sind“, teilen sie mit. „Außerdem wollten wir Songs von Leuten covern, die uns in den vergangenen Jahren beeinflusst haben. Damit wollten wir zugleich zeigen, wie sie mit ihren Ideen umgegangen sind und wie sie sich in unangenehme Situationen gebracht haben, um etwas zu machen, das am Ende so einfach wie großartig ist. Es ist eine Hommage an den Geist dieser Menschen, die uns geholfen haben, uns von unserer inhärenten komplizierten Natur zu lösen und einen neuen Raum zu schaffen, in dem wir existieren können.“

Dazu gehört beispielsweise John Barry, dessen instrumentales A Dolls House hier ein Lost Place zu sein scheint. Recht harmlos (erst recht im Vergleich zum Skandal, den das Original von Serge Gainsbourg und seiner damals 13-jährigen Tochter Charlotte provozierte) gerät indes Lemon Incest. Auch Always On My Mind (geschrieben von Willie Nelson, am bekanntesten in der Version von Elvis Presley) ist eine kleine Enttäuschung: Die Umsetzung von Toy wäre spektakulär, gäbe es nicht schon die sehr ähnliche Version der Pet Shop Boys, hinter deren Wirkung sie hier in einer sehr ähnlichen Ästhetik deutlich zurück bleiben.

Ein Highlight ist hingegen Sixty Forty: Der erste Beat, den man hört, scheint mit militärischer Strenge einem zum Tode Verurteilten den Weg zum Schafott zu weisen, der zweite, der sich dann dazugesellt, klingt wie vom Strand einer Sonneninsel. Den Nico-Song reichern sie danach mit dezenten Keyboardakkorden im Stile von OMD an, was auf Dauer einen geradezu hypnotischen Effekt hat. Songs Of Consumption wirft damit nicht nur die spannende Frage auf, wie die künstlerische Entwicklung von Toy weitergehen wird, sondern zeigt über den Umweg der Coverversion tatsächlich ein wichtiges Grundprinzip in ihrer Musik: Die einzelnen Elemente, die sie einsetzen, sind sehr einfach, manchmal sogar in der Nähe von Dilettantismus – die Kunst und das Besondere entstehen durch die Kombination.

Nicht sonderlich spaßig und auch nicht wirklich urban: das Video zu Fun City.

Website von Toy.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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