Künstler | Typhoon | |
Album | Sympathetic Magic | |
Label | Roll Call Records | |
Erscheinungsjahr | 2021 | |
Bewertung |
Portland, Oregon, ist einer der liberalsten Orte der USA, und es ist (natürlich auch deshalb) einer der Brennpunkte in der Schlussphase der Trump-Präsidentschaft gewesen. Nach dem Tod von George Floyd gab es dort mehr als 100 Tage lang Proteste. Wie hart die Fronten waren, wurde kaum irgendwo so sichtbar wie hier: Bei Auseinandersetzungen zwischen Trump-Gegnern und -Anhängern gab es Todesopfer auf beiden Seiten. Im September haben in Oregon rund 1000 Trump-Fans protestiert, teils bewaffnet. Wenige Wochen zuvor hatte der Präsident selbst den Bürgermeister von Portland, Ted Wheeler, als „verrückten Linksradikalen“ bezeichnet.
Portland ist auch die Heimatstadt von Kyle Morton, Sänger und Songwriter von Typhoon. Es ist somit kein Wunder, dass das fünfte Album der Band, den Blick auf ein zerrissenes Land richtet. Erst recht, wenn die Platte auch noch unter dem Eindruck einer Pandemie entsteht wie im Fall des morgen erscheinenden Sympathetic Magic, zu dessen improvisiertem Aufnahmeprozess unter anderem übers Internet verschickte Parts und Sessions mit Mund-Nase-Schutz gehörten. „Ich habe alle diese Songs in den vergangenen Monat geschrieben, während ich mich zuhause verkroch. Was hätte ich sonst tun sollen?“, teilt Morton dazu mit. „Die Songs handeln von Menschen, vom Platz zwischen ihnen, und all den gewöhnlichen, wundervollen Dingen, die dort geschehen können, während wir in Kontakt kommen, einander nachahmen, unsere Spuren hinterlassen und uns wieder aus dem Blick verlieren.“
Vielleicht liegt es auch an diesem Ansatz und den Tücken der Aufnahmen in Corona-Zeiten, dass Sympathetic Magic noch brüchiger und zerbrechlicher klingt als der Vorgänger Offerings (2018). Besonders merkt man das in Room Within The Room, das verträumt und fast selbstvergessen wirkt, oder Motions And Thought, das mit seinem reduzierten Arrangement besonders eindringlich wird. We’re In It ist extrem zart und zugänglich, bis sich ein großes Finale entfaltet, das vielleicht auch die Cold War Kids produzieren könnten, würden sie ihren Schutzschild aus Ironie fallen lassen. Beim wundervollen So What If You Were Right kann man, nicht nur wegen der schönen Zeile „You were always one for dreaming / in the end you couldn’t stand being awake“, den Gedanken haben: Selten klang es so schön und so schlau, sich einlullen zu lassen.
Auch wenn es einmal schwungvoller wird wie in Time, Time, bleiben Typhoon genauso innig. In Evil Vibes ist, wie bei vielen Liedern, Herzblut die wichtigste Zutat. Masochist Ball hat tolle Bläser, eine tolle Dramaturgie und viel Wehmut. Ein paar Klaviertöne zu Beginn prägen Two Birds als repetitives Element, auch das sehr ursprüngliche Schlagzeug sorgt darin für Spannung. Sine Qua Nonentity eröffnet die Platte: Kurz erklingt ein windschiefes Orchester (Typhoon haben aktuell acht Mitglieder, auf der Bühne kann die Anzahl auch schon einmal zweistellig werden), dann Kyle Mortons Gitarre und Stimme, die beide brüchig und erfahren klingen, dann alles zusammen, was einen ziemlich majestätischen Effekt hat.
Ein Höhepunkt ist Empire Builder, das an Arcade Fire erinnert, nicht nur weil die erste Zeile “the apocalypse is coming“ lautet. Hier gibt es Druck und Drama, Trompeten und Streicher, Chor und Glockenspiel. Auch der Rausschmeißer Welcome To The Endgame ragt auf Sympathetic Magic noch heraus. Der Song überrascht mit einem Quasi-Sequenzer und sehr schönen Streichern, die Stimme von Kyle Morton (Textprobe: „America, I’m inside you / kicking screaming at your sinews / it’s easy to blame you / but the guilt is as good as mine“) und vor allem das untröstliche Grundgefühl dieses Albums dominieren trotzdem. Man spürt hier sehr genau den Frust der Trump-Jahre, den Schock von Corona, aber auch die Entschlossenheit, die Hoffnung zu bewahren. Der Journalist Casey Jarman (er kommt übrigens auch aus Portland) bringt das gut auf den Punkt: „Die Lieder von Typhoon handeln von der menschlichen Neigung, die Dinge, die wir besitzen, mit den Dingen zu verwechseln, die uns besitzen.“