Künstler | Underworld | |
Album | Drift Episode 1 | |
Label | Caroline | |
Erscheinungsjahr | 2018 | |
Bewertung |
Karl Hyde und Rick Smith alias Underworld werden wohl auf ewig mit Born Slippy (Nuxx) assoziiert werden, das sie 1996 für den Soundtrack zu Trainspotting beisteuerten. Wie falsch es allerdings wäre, sie auf einen Song, ein Genre oder auch nur eine Kunstform festzulegen, zeigt ihr Minialbum Drift Episode 1. Es gibt darauf Tracks wie Universe Of Can When Back mit hektischem Beat, dann dieser Bass Drum, die kaum jemand so mörderisch klingen lassen kann wie Underworld, und dann dieser sagenhaft coolen Stimme, bei der man immer wieder staunt, dass ihr Wortschatz doch mehr umfasst als „Lager, Lager, Lager“. Es gibt daneben aber ein Verständnis von elektronischer Musik, das so vielseitig und vielfältig ist, wie es nur wenige Act im dritten Jahrzehnt ihres Bestehens hinbekommen.
Ein Beleg dafür sind nicht nur die sechs neuen Stücke auf dem heute erscheinenden Drift Episode 1 (der zweite Teil ist für Anfang 2019 angekündigt), sondern auch ihre Entstehungsweise. „Drift ist genau das Gegenteil von normal oder vom üblichen Vorgehen“, sagt Karl Hyde über das Langzeitexperiment, von dem Underworld insgesamt fünf Teile veröffentlichen wollen. Für diese Serie haben sie als Mitstreiter unter anderem Tomato an Bord geholt, eine Multimedia-Künstlergruppe aus Theaterleuten, Schriftstellern, DJs, Malern und Dichtern. Sie alle wollten – ebenso wie Smith & Hyde – ihre eigene Arbeitsweise hinterfragen, verändern und erweitern. Die Ergebnisse der gemeinsamen Arbeit werden jeden Donnerstag auf underworldlive.com veröffentlicht. Auf Drift Episode 1 sind die dort bereits verfügbaren Stücke leicht erweitert und überarbeitet zu hören.
Für Dexters Chalk haben sie mit Phase (Ø) einen weiteren Gast gewonnen, der Sequenzer ist in diesem Song einen Tick prominenter als der Beat, beides zusammen wird zu einem Mega-Rave. Low Between Zebras überrascht mit der Erzählerstimme von Matthew Trevannion, die zu einer sphärischen Untermalung philosophiert. Another Silent Way ist verspielt und brutal und zeigt: Underworld mögen beides.
Dass Horizont und Ambitionen bei diesem Duo groß genug sind für derlei Konstellationen, kann alle, die ein bisschen mehr von Underworld kennen als Born Slippy, kaum überraschen. Sie haben Musik für Filme, Theaterinszenierungen und die Eröffnungszeremonie der Olympischen Spiele 2012 in London beigesteuert, 2016 für das Album Barbara Barbara, We Face A Shining Future einen Grammy bekommen, waren Headliner bei einigen der berühmtesten Festivals der Welt (darunter Glastonbury, Summer Sonic und Coachella) und haben zuletzt eine gemeinsame EP mit Iggy Pop namens Teatime Dub Encounters rausgebracht. Das schafft man nicht als One Trick Pony.
Wie abenteuerlustig und abenteuerlich Underworld weiterhin sein können, verdeutlicht das mehr als zehnminütige A Very Silent Way (mit The Necks aus Australien) am besten. Mit einem Kontrabass und etwas, das man eher als Rascheln im Hintergrund begreifen muss denn als Beat, entwerfen sie eine sehr geheimnisvolle, im Vergleich zu den übrigen Tracks auf Drift Episode 1 ganz andere Klangwelt – und zeigen obendrein eine Subtilität, die man ihnen nicht unbedingt zugetraut hätte.