UNS – „Alles was wir machen ist Kunst“

Künstler UNS

UNS Alles was wir machen ist Kunst Kritik Review
Das zweite Album von UNS transportiert Aktivismus auf die denkbar coolste Weise.
Album Alles was wir machen ist Kunst
Label Lovers And Friends
Erscheinungsjahr 2018
Bewertung

Es kommt nicht so oft vor, dass ich Angst habe, einer Platte mit meiner Kritik nicht gerecht werden zu können. Beim gestern erschienenen Alles was wir machen ist Kunst von UNS ist das so. Das liegt zum einen daran, dass man nach diesen zehn Liedern einfach nur ausrufen will: „Saugeil, spannend, mega!“ Und gleichzeitig weiß, dass da viel mehr ist als diese Ebene der spontanen Begeisterung. Sagen wir es zum Beginn also so: Das Trio aus Berlin schafft es, zwischen Synthiepop und Elektropunk ganz viel Diskurs und noch mehr Referenzen zu packen, vor allem aber: Spaß.

Internetgold eröffnet das Album, damit sind nicht Likes und Shares gemeint, schon gar nicht Bitcoins. Vielmehr geht es um Daten allgemein und die Leichtfertigkeit, mit der wir diese mit unseren always on hinterlassen. Die Musik baut rund um eine 2-Bit-Keyboardmelodie einen sehr tanzbaren, eingängigen und durchgeknallten Sound – dass UNS unlängst mit Egotronic auf Tour waren, erscheint spätestens hier extrem einleuchtend.

Körper wird angetrieben von einem Feuer, in dem Lust auf Party steckt, viel mehr aber eine große Wut. Auch hier blickt die Band auf die Kurzsichtigkeit unserer Gegenwart im Allgemeinen und die Akzeptanz von Überwachung im Besonderen. „Unsere Wurzeln sind zum Drüberstolpern gerade noch gut genug“, singt Frontmann Sebastian Cleemann. Dass all dies aus der Wir-Perspektive kommt, sich UNS also einschließen bei all dem, an dem sie Kritik üben, ist eine besondere Stärke von Alles was wir machen ist Kunst. Denn es macht den Appell einerseits glaubwürdiger und verhindert andererseits die Attitüde eines erhobenen Zeigefingers, der hier so gar nicht passen würde.

Das soll nicht heißen, dass es Alles was wir machen ist Kunst an Ernst mangelt. Einiges auf dem zweiten Album der Band (das Debütalbum Gegengift stammt von 2013) darf man als Performance begreifen, auch die gelegentliche Lust auf Randale und das Kokettieren mit dem Exzess gehören wohl dazu. Dennoch bleibt unbestritten, dass UNS mit vielen Phänomenen des Zeitgeistes nicht einverstanden sind und nicht im geringsten gewillt, das einfach hinzunehmen. Als passenden Lebensraum für dieses Trio beschreibt der Pressetext recht treffend ein „Dreieck aus Dancefloor, Lesestube und Moshpit“, und in der Tat kommt all dies hier zusammen. Auch die Kategorisierung „wie Deichkind von einer Kunsthochschule“ (Intro) ist nicht verkehrt.

Der Titelsong Alles was ich mache ist Kunst hat viel Punch und Überzeugung. Von A nach A nimmt Pseudo-Aktivismus ins Visier, der keine Richtung kennt, und Projekte, die nicht zu Ende gedacht sind. Die Musik von Essen um zu vernichten hat Spaß an den Achtzigern, der Gesang wechselt in der Strophe überraschenderweise in einen Crooner-Modus, um im Refrain so unersättlich und gierig zu klingen, wie es das Thema eben erfordert.

Der Riss erweist sich als extrem kurzweilig und zeigt in der komplett instrumentalen zweiten Hälfte, wie viel Spaß der Sound von UNS sogar ohne Text macht. Nackt Sehen spielt ironisch mit Elementen der Powerballade (inklusive Gitarrensolo) und wirft einen schonungslosen Blick auf die Tatsache, dass „die jungen Leute“ mittlerweile andere sind, die einen selbst skeptisch bis mitleidig beäugen. Ohnehin ist die musikalische Klasse noch beeindruckender als der auf denkbar coole Weise transportierte Aktivismus. Die Mitglieder von UNS waren früher in Bands wie Kate Mosh, I Might Be Wrong, Petula oder Clickclickdecker – was sie da gelernt haben, ist auf Alles was wir machen ist Kunst gut sichtbar.

München ist zum Abschluss der Platte ein Highlight mit großer Lust auf Theatralik, auch wenn bei allem Schauspiel doch unverkennbar bleibt, was für ein verdammt guter Powerpop-Song das ist, den beispielsweise Nena vor gut 30 Jahren zu einem Riesenhit hätte machen können. Fazit: Wir brauchen UNS.

UNS können auch Influencer, zeigt das Video zu Internetgold.

Den Frühsommer feiern UNS auf Tour.

02.06. Ostpol-Festival, Dresden
03.06. Berghain Kantine, Berlin
13.06. Ilses Erika, Leipzig
14.06. Café Wagner, Jena
15.06. Thav, Hildesheim
22.06. Ausser Haus Festival, Niederbobritzsch

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Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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