Künstler | Veronica Falls | |
Album | Waiting For Something To Happen | |
Label | Bella Union | |
Erscheinungsjahr | 2013 | |
Bewertung |
Natürlich kann ich Vielflieger sein und erklären, mir liege etwas am Klimaschutz. Natürlich kann ich Mathe und Informatik studieren, alle Folgen von The Big Bang Theory auswendig kennen, in Silver Surfer-Bettwäsche schlafen und beteuern, ich sei kein Nerd. Ich kann sogar ein Trikot des FC Bayern München tragen und behaupten, ich hätte Ahnung von Fußball. Aber es wird nicht funktionieren. Niemand wird mir glauben.
So ähnlich ist es bei Veronica Falls. Roxanne Clifford (Gesang, Gitarre), Patrick Doyle (Schlagzeug, Gesang, beide aus Glasgow und vorher beide bei Sexy Kids), James Hoare (Gesang, Gitarre, vorher bei Your Twenties) und Marion Herbain (Bass) haben eine schlimme Abneigung gegen das Wort „twee“. In beinahe jedem Interview betonen sie: „Wir wollen nicht niedlich sein!“ Und dann machen sie Lieder wie Teenage, in dem zuckersüße Stimmen Zeile wie „I carved your name in the cherry tree“ singen, oder Falling Out, in dem es neben dem Glaubenssatz „Every seed is a flower“ auch noch Schneeflocken und Mondschein gibt. Vielleicht am deutlichsten wird dieser Effekt bei Daniel: Es gibt eine schüchterne Gitarre, eine putzige Orgel, die sich leise im Hintergrund versteckt, und vor allem den unschuldigen zweistimmigen Gesang von Roxanne Clifford und Patrick Doyle, die ein paar Zeilen wie aus dem Poesiealbum für besonders sensible Kids parat haben: „Please don’t leave me, I can’t go home without you / nobody needs to know / what we know.“
Auch an vielen anderen Stellen ist Waiting For Something To Happen fast umwerfend bezaubernde Popmusik. Tell Me baut etwas Jangle ein und wirkt wie Belle & Sebastian nach ein paar Energy Drinks. My Heart Beats hat eine große Entschlossenheit, die man im gesteigerten Tempo und recht feurigen Gitarrensolo erkennen kann, auch das Call and reponse im Refrain hat einen tollen Effekt. If You Still Want Me ist kein Highlight des von Rory Atwell (Test Icicles, The Vaccines) produzierten Albums, zeigt aber gerade dadurch, wie rund und charakteristisch das ästhetische Konzept von Veronica Falls ist.
Freilich kann man die Sorge der 2009 gegründete Band, die zwei Jahre später ihr selbstbetiteltes Debüt veröffentlichte und mit Waiting For Something To Happen ihr zweites Album vorlegte, auch nachvollziehen. Denn so charmant und zugänglich fast alle Lieder von Veronica Falls wirken, so häufig stehen dahinter Angst, Unsicherheit und Zweifel als Thema.
Buried Alive ist das Paradebeispiel dafür, denn die Vorstellung, lebendig begraben zu sein, ist darin kein Albtraum, sondern ein Wunsch. „I am broken too, a broken toy like you“, singen sie im extrem romantischen Broken Toy. Später thematisieren sie in So Tired, einem von etlichen Songs, in denen man das Gefühl hat, das Schlagzeug sei eigentlich viel zu energisch für diese Musik, das Gefühl „when you’re sick of all the people you know“. Die Verbindung zwischen dieser Düsternis und Schönheit ist nichts anderes als die Lebensphase, die man in England so schön als Coming of Age bezeichnet. „Veronica Falls wildern im evergreenen Themenpark des Growing Up mit einer Melancholie, die nur Young Adults aufbringen können, die das Gröbste gerade hinter sich gelassen haben“, hat das der Musikexpress anlässlich dieses Albums treffend attestiert.
Schon im Titelsong lässt sich das ausmachen. Waiting For Something To Happen trägt nicht nur die Ungeduld im Namen, sondern wird unwiderstehlich in Sound, Melodie und Gesang. In Everybody’s Changing beklagen Veronica Falls vor allem die Tatsache, dass die anderen älter (und sogar erwachsen) werden, wegziehen und neuerdings schlaue Sprüche auf Lager haben, während sie selbst noch so gerne in diesem Moment und dieser Lebensphase verweilen würde – nicht unbedingt, weil sie sich dort so wohl fühlen, sondern weil sie ahnen, es könne danach nur weniger aufregend werden.
Shooting Star zeigt: Orientierung, Anleitung, Glück – all diese Ziele für das Leben als Erwachsener sollen für sie am besten von außen kommen und zufällig, in jedem Fall mühelos, entdeckt werden. Last Conversation beschließt die Platte als Lied über den Abschied vor einem „new age in the making“. Frappierend ist dabei nicht so sehr die Angst davor oder der Schmerz darüber, sondern das Bewusstsein für diesen Moment einer Zeitenwende, das Veronica Falls auf Waiting For Something To Happen immer wieder an den Tag legen. Dass es ihr letztes Album bleiben sollte, ist bei so schöner Musik natürlich höchst schade, im Sinne dieses sehr besonderen künstlerischen Ansatzes aber fast konsequent.