Versuch eines Interviews mit Speech Debelle

Speech Debelle hat immer eine Botschaft, sagt sie. Offensichtlich spricht sie nur nicht gerne darüber. Foto: Verstärker
Speech Debelle hat immer eine Botschaft, sagt sie. Offensichtlich spricht sie nur nicht gerne darüber. Foto: Verstärker

Dear English speaking readers! An English version of this interview (without my thoughts on it) can be found here.

Speech Debelle sieht nicht aus wie ein Popstar. Sie steigt an diesem Nachmittag in Leipzig aus einem Kleinbus, in dem sie seit Hamburg sitzt, und der noch nicht einmal Fenster hat. Sie trägt etwas, das wie der Ikea-Teppich aussieht, der früher in meiner WG-Küche lag. Und kaum hat sie einen Fuß auf  den Hof des Werk 2 gesetzt, schlingt sie ein Brötchen hinunter, das wohl als Ersatz für das herhalten muss, was die Engländer sonst so gepflegt „Lunch“ nennen. Eine gefeierte Musikerin, die mit ihrem Debütalbum den Mercury Prize gewonnen, mit Freedom Of Speech einen genialen Nachfolger hingelegt und unlängst den offiziellen Song zu den Olympischen Sommerspielen beigesteuert hat, stellt man sich anders vor.

Immerhin: Ein paar Star-Allüren erlaubt sich die Londonerin dann doch. Von meinem Angebot, noch ein bisschen mit dem Interview zu warten, bis sie richtig angekommen ist, macht sie ausgiebig Gebrauch. Und das Rauchverbot im Backstage-Bereich scheint sie eher als Motivation zum Tabakkonsum zu interpretieren. Mit einer guten halben Stunde Verspätung geht das Interview dann los. Leider. Denn es wird eine Katastrophe. Das schlimmste Interview, das ich je geführt habe. Hier also: das Dokument eines Scheiterns – mit dem, was Speech Debelle gesagt hat, und in eckigen Klammern mit dem, was ich mir dazu gedacht habe.

Ich muss dich vorwarnen: Ich würde gerne mit zwei eher langweiligen Fragen beginnen.

Debelle: Solche, für die du auch auf Wikipedia die Antworten finden kannst?

[Das fängt ja gut an – als erste Antwort eine Gegenfrage! Ich gebe zu: Ich bin nicht sonderlich gut vorbereitet. Und ich wäre an diesem Freitagnachmittag eindeutig lieber anderswo (zum Beispiel im Bett). Aber so viel Professionalität bringe ich dann doch mit, die Wikipedia-Fakten bereits zu kennen und nicht erst erfragen zu müssen.]

Nein, nicht solche. Bloß Fragen, die du wahrscheinlich sehr oft gestellt bekommst. Langweilige Frage Nummer 1: Heute in Leipzig ist der letzte Termin im deutschen Teil deiner Tour. Wie läuft es bisher?

Debelle: Es läuft toll. Ich habe es wirklich genossen. Die Fans waren gut, haben sich echt ins Zeug gelegt. Ich habe viel Spaß gehabt – und gut gegessen.

[Erstaunlich. Deutschland ist ja nicht gerade als das Paradies für Gourmets bekannt. Und das Brötchen eben sah aus, als habe es ein paar Tage im Tresen einer Autobahn-Raststelle verbracht.]

Wirklich? Das Brötchen, das du da eben verspeist hast, sah nicht gerade nach einer Delikatesse aus.

Debelle: Aber es war gut. Wir versuchen, uns so gesund wie möglich zu ernähren. Mit Pilzen und Humus und solchen Sachen. Wir trinken auf Tour ziemlich viel Alkohol, und da können wir das hoffentlich wenigstens ein bisschen ausgleichen.

Gesund essen, ungesund trinken?

Debelle: Exakt.

[Ein älterer Herr, der wie das genaue Gegenteil eines Hip-Hop-Fans aussieht, unterbricht das Gespräch und bittet Speech Debelle auf Deutsch um Autogramme. Sie unterschreibt drei Autogrammkarten, ohne ein einziges Wort zu sagen.]

Langweilige Frage Nummer 2: Olympia. Eine neue Version deines Tracks Spinnin’ war eine der offiziellen Hymnen für London 2012. Das ist ja schön und gut. Aber wäre es nicht schöner gewesen, stattdessen bei der Eröffnungsfeier auf der Bühne zu stehen?

Debelle: (kichert, hustet, sagt nichts).

[Hmm. Diese Frage soll der Einstieg in den Themenkomplex „Stadionmusik/Verhältnis von Künstler und Publikum“ werden. Versuchen wir es einfach noch einmal.]

Also ich für meinen Teil hätte lieber vor einem riesigen, weltweiten Publikum gespielt statt bloß die offizielle Hymne zu komponieren.

Debelle: Solange ich bezahlt werde, bin ich glücklich.

[Was ist das denn für eine bescheuerte Aussage? Speech Debelle ist bekannt dafür, sich sozial zu engagieren. Ihre Texte werfen einen kritischen Blick auf die Welt, ihr Song Blaze Up A Fire war so etwas wie die Titelmelodie der Jugendrevolte in London im vergangenen Jahr. Diese Frau würde garantiert nicht für die Waffenlobby, beim Parteitag der National Front oder auf einer Erotikmesse spielen. Auch wenn sie fürstlich dafür bezahlt würde. Aber ich nehme das erstmal so hin und versuche weiter, den Bogen in Richtung Stadionmusik zu spannen.]

In Stadien zu spielen – ist das etwas, das du anstrebst?

Debelle: Ja, klar. Das geht doch jedem so. Das wäre schön.

Dann hättest du doch bestimmt gerne bei der Eröffnungsfeier gespielt. Das hätte einer dieser Momente sein können, die eine Karriere definieren.

Debelle: (hustet, sagt nichts)

[Was ist hier eigentlich los? Was hat diese Frau für ein Problem? Ich bin auch müde und kann mir schönere Orte vorstellen als eine Fabrikhalle, in der früher Gasmesser hergestellt wurden. Aber ich gebe mir wenigstens ein bisschen Mühe – obwohl ich nicht um ein Interview mit Speech Debelle gebeten hatte, sondern umgekehrt das Management der Musikerin bei mir angefragt hatte, ob ich nicht eins machen möchte. Speech Debelle hat aber offensichtlich nicht die geringste Lust auf Interviews. Vielleicht hilft ein kleiner Witz.]

Auf jeden Fall wäre so ein Auftritt kein guter Zeitpunkt, um beim Singen den Text zu vergessen.

Debelle: Ich denke nicht, dass mir das passieren würde.

Vergisst du nie deinen Text?

Debelle: Doch, andauernd. Bei jeder Show.

[Aha. Sie vergisst also nie ihren Text. Aber andauernd. Neben dieser etwas schwierig zu fassenden Logik fällt mir auf, dass mich Speech Debelle noch kein einziges Mal angeschaut hat bei ihren Antworten – das wird sich auch über die gesamten knapp 20 Minuten des Gesprächs nicht ändern.]

Hat man dich denn gefragt, ob du bei den Olympischen Spielen auftreten willst?

Debelle: Nein.

[Hurra! Die durschnittliche Wortzahl der letzten acht Antworten liegt damit exakt bei 4,0. Wie heißt eigentlich das Gegenteil von „Plaudertasche“?]

Hast du dann wenigstens als Zuschauer ein bisschen davon mitbekommen?

Debelle: Ich habe mir ein paar Sachen im Fernsehen angeschaut, das hat mir gereicht. Und ich habe das 200-Meter-Rennen in der O2-Arena gesehen. Mit Jamaika, das war gut.

[Speech Debelle hat jamaikanische Wurzeln. Eine gute Gelegenheit, ihrem Patriotismus zu schmeicheln und so vielleicht ein bisschen die Stimmung zu heben.]

Ich glaube, sie haben gewonnen?

Debelle: Sie gewinnen immer!

[Hat geklappt.]

Ich habe dich so oft nach Auftritten in Stadien gefragt, weil ich glaube, dass es heutzutage enorm schwierig ist, ein so großes Publikum anzuziehen. Glaubst du, dass du das irgendwann schaffen kannst?

Debelle: Keine Ahnung. Wenn es klappt, dann klappt es. Wenn nicht, dann eben nicht.

[Brillant. Vor ein paar Minuten hat sie noch gesagt, dass sie stolz wäre, wenn sie das schaffen könnte. Jetzt ist es plötzlich egal. Bringen wir den unsäglichen Themenkomplex Stadion also endlich hinter uns und reden über Inhalte.]

Das Erfolgsgeheimnis liegt wahrscheinlich darin, eine möglichst große Verbindung zum Publikum aufzubauen. Wenn man das anstrebt, könnte es aber auch hinderlich sein. Beim Komponieren sollte man ja ausdrücken, was man selbst herüberbringen möchte – ohne schon im Hinterkopf zu haben, was das Publikum vielleicht hören will.

Debelle: Stimmt, ich mache das immer so. So bin ich einfach. Ich rede auch in Interviews mit weißen Mittelschichtzeitungen plötzlich darüber, wie viele Schwarze im Polizeigewahrsam getötet werden. Ich habe immer eine Botschaft, ohne Rücksicht darauf, ob sie gerade reinpasst.

[Aha. Womöglich ist also das ihr Problem: Ich trage ein Sakko, weil ich direkt von einem anderen Termin komme, bei dem das eben notwendig war. Und Speech Debelle glaubt angesichts dieses Outfits womöglich, dass ich auch so ein Reporter bin, der für eine „white, middle class newspaper“ schreibt, noch nie ihre Musik gehört hat (nichts davon trifft in meinem Fall zu), und sie und ihre Message sowieso nicht kapieren kann. Ich sehe nicht „urban“ genug aus. Offensichtlich ist ihre Schlussfolgerung, dass sie in einem Interview mit solchen Reportern auch kein Interesse zeigen braucht, oder wenigstens Professionalität. Sollte das zutreffen, wäre das eine äußerst dämliche Herangehensweise, die man bei umgekehrten Vorzeichen womöglich sogar „Rassismus“ nennen würde. Ich folgere ja auch nicht aus ihrem Äußeren auf ihre Gesinnung oder ihren sozialen Status – sonst müsste ich sie für eine minderbemittelte, obdachlose Dauerkifferin halten.]

Du sagst also immer einfach, was dir durch den Kopf geht?

Debelle: Es gibt ein paar Dinge, die ich nicht sage. Einfach, weil ich glaube, dass es nicht nötig ist, Leute zu beleidigen. Aber ich habe keine Angst davor, provokant zu sein.

Die Sachen, die du für dich behältst – bezieht sich das auf Interviews oder auch auf deine Songtexte?

Debelle: Es gibt einfach eine Menge Sachen, die ich nicht sage. Das wäre bescheuert. Stell dir mal vor, du würdest alles aussprechen, was dir gerade durch den Kopf geht!

Aber ist so eine Selbstzensur nicht schwierig? Du könntest das Songschreiben ja gerade auch nutzen, um solche Gedanken herauszulassen. Wenn du das nicht machst, bedeutet das, dass sich da eine unbestimmte Wut in dir aufstaut?

Debelle: Alle Menschen haben dieselben Gefühle: Schmerz, Liebe, Angst, Wut. Es gibt da keine Unterschiede. Bei mir ist es nur so, dass ich in der Lage bin, mich auf dem Wege der Musik auszudrücken. Andere Menschen haben dafür andere Wege.

[Schon wieder so eine Plattitüde. Kotz.]

Schreibst du diese düsteren Gedanken dann auf, veröffentlichst sie aber nicht?

Debelle: Nein. Es gibt einfach Dinge, die ich nicht sage. Das ist nicht nötig.

[Ich gebe auf. Welche Themen unter diese Selbstzensur fallen und wie sie abläuft, wäre ein spannendes Thema gewesen. Aber wenn sie nicht will, dann machen wir eben anders weiter. Ich möchte gerne die Botschaft rüberbringen, dass ich mit dem Werk von Speech Debelle durchaus vertraut bin und ihre Musik sehr schätze. Sie hat in vielen Interviews von anderen Künstlern geschwärmt (von denen übrigens keiner „white“ oder „middle class“ ist), von Michael Jackson bis Nitin Sawhney. Versuchen wir es also damit, vielleicht heitert sie das ja auch ein bisschen auf.]

Gut, dann lass uns über Kollaborationen sprechen. Du hast schon mit Leuten wie Kwes oder Roots Manuva gearbeitet. Wer wäre denn der musikalische Partner deiner Träume?

Debelle: Es gibt da einen Produzenten namens Naughty Boy, mit dem möchte ich irgendwann mal was machen. Emeli Sandé. Nas. Und Meshell Ndegeocello, die ist ganz vorne dabei. Sie ist eine Legende, eine Göttin.

Hast du sie schon mal getroffen? Kennt sie dich?

Debelle (amüsiert): Ich habe keinen Schimmer.

Man könnte Meshell Ndegeocello als ein Vorbild in puncto Unabhängigkeit betrachten. Das scheint auch für dich ein wichtiges Thema zu sein. Meines Erachtens ist Unabhängigkeit so etwas wie das Leitmotiv auf deinem Album Freedom Of Speech. Würdest du da zustimmen?

Debelle: Ich weiß nicht. Darüber habe ich noch nie nachgedacht.

[Offensichtlich hat sie sich schon wieder komplett aus diesem Gespräch ausgeklinkt. Wie kann man ein Album machen und dann nicht wissen, worum es darauf geht?]

Ist dir Unabhängigkeit wichtig?

Debelle: Unabhängigkeit in welchem Sinne?

Vielleicht als eine Botschaft, die du rüberbringen willst. Um Leuten klar zu machen, dass sie sich selbst Gedanken machen sollen, frei von Vorurteilen und ohne Rücksicht auf die Regeln, die andere Leute für sie aufgestellt haben.

Debelle: Ich weiß nicht. Wenn die Leute das für sich rausziehen…. Weißt du, jeder zieht da für sich etwas anderes raus. Es gibt nicht diese eine Interpretation, die für alle gleichzeitig gültig ist. Jeder liest das heraus, was er braucht.

Du willst dein Publikum also nicht belehren?

Debelle: Nein, das interessiert mich nicht. Ich rede einfach über die Dinge, die mir wichtig sind.

[Aha. Vorhin hat sie noch gesagt „Ich habe immer eine Botschaft.“ und als Beispiel genannt, dass sie auf skandalöse Zustände im Polizeigewahrsam aufmerksam machen will. Jetzt hat das alles plötzlich nichts zu bedeuten, weil ja ohnehin jeder etwas anderes rauszieht. Was stimmt nicht mit dieser Frau?]

Und wie sieht es nun aus, für dich persönlich? Ist es dir wichtig, unabhängig zu sein?

Debelle: Unabhängig in welchem Sinne?

[Mein Gott, jetzt stell dich doch nicht so dämlich an!]

Nunja, in deiner Kunst, in deiner Musik.

Debelle: Ich bin niemals unabhängig. Ich bin auf Musiker angewiesen und auf Produzenten. Ich bin zwar der Boss, aber ich bin nicht unabhängig. Man muss wissen, wie man seine Mitstreiter zu nehmen hat, wenn man wirklich etwas Gutes erreichen will.

[Hey, irgendwo in dieser Antwort könnte so etwas wie Interesse an diesem Gespräch zu stecken! Der Schaffensprozess könnte ein Thema sein, das endlich funktioniert. Also weiter in diese Richtung.]

Magst du das? Oder würdest du manchmal lieber ganz alleine arbeiten können?

Debelle: Nein, ich würde niemals gerne alleine arbeiten. Ich mag Zusammenarbeit.

Der Vorteil wäre allerdings, dass du keine Kompromisse machen musst – und nicht ständig alle bei Laune halten musst.

Debelle: Stimmt. Ich bin der Boss. Ich muss die ganze Zeit dafür sorgen, dass alle zufrieden sind. Natürlich muss ich auch darauf achten, dass alle machen, was sie machen sollen – aber man darf dabei kein Monster werden.

Bist du ein angenehmer Boss?

Debelle: Ich weiß nicht. Da solltest du am besten meinen Tourmanager fragen.

[Irgendwie habe ich das Gefühl, dass er ein schwer genervter Mensch sein muss.]

Was würde er sagen?

Debelle: Mir ist normalerweise völlig egal, was er sagt (lacht).

Wärest du denn gerne dein eigener Angestellter?

Debelle: Ja.

Was macht für dich einen guten Chef aus?

Debelle: Ich denke, man muss klare Ansagen machen. Wenn man das nicht tut, bleibt Spielraum für Interpretationen, und dann tun die Leute nicht das, was sie tun sollen, weil sie dich falsch verstehen. Gleichzeitig soll jeder die Möglichkeit haben, selbst etwas einzubringen, ohne dass vom eigentlichen Ziel abgerückt wird.

[Wow, die längste Antwort bisher. Vielleicht kriegen wir jetzt doch noch die Kurve.]

Wenn man Musiker wird, rechnet man wahrscheinlich nicht damit, eines Tages auch Fähigkeiten in Personalführung zu brauchen.

Debelle: Für mich war das immer klar, ich wollte das immer so. Und es gibt keinen erfolgreichen Künstler, der da anders ist. Alle wollen der Boss sein. So etwas hast du einfach in dir drin, schon in einem ganz jungen Alter.

[Schon wieder so ein esoterischer Mist. Sind da Drogen im Spiel? Und vor allem schon wieder ein Widerspruch zu einer Aussage von vorhin. Diesmal kann ich das nicht einfach so im Raum stehen lassen und muss darauf hinweisen.]

Wenn man in der Position ist, anderen Leuten Befehle zu erteilen, könnte man das durchaus als Unabhängigkeit bezeichnen, meinst du nicht?

Debelle: Wenn du jetzt schon wieder mit Unabhängigkeit anfangen willst, kannst du das gerne machen. Aber …

[Yeah. Eine knappe Viertelstunde ist rum, und wir streiten uns. Ich würde diesen Mist gerne zu Ende bringen, aber ich habe dank der widerspenstigen Ms Debelle leider noch nicht genug brauchbare Aussagen, um daraus irgendeine sinnvolle Berichterstattung zu machen.]

Ich muss nicht darüber sprechen.

Debelle: Aber du willst.

Es war eben mein Eindruck, dass es ein wichtiges Thema auf deinem Album ist. Aber das weißt du im Zweifel sicher besser.

Debelle: Ja.

[Willkommen in der Sackgasse. Ich versuche noch einmal die „Schwärmen über andere Leute“-Strategie. Das hat ja vorhin wenigstens halbwegs funktioniert.]

Was ist dir denn sonst wichtig? Was sind wichtige Einflüsse für dich, auch außerhalb der Musik?

Debelle: Eine Menge Leute. Wenn ich die jetzt alle aufzählen würde, sitzen wir den ganzen Tag hier. Es spielt keine Rolle.

[Jetzt reiß dich mal zusammen! Nenn doch einfach drei, und wir sind raus aus der Nummer. Obama meinetwegen oder Bob den Baumeister. Ich zitiere: „Es spielt keine Rolle“!!!!! Jetzt wird es Zeit, ungalant zu werden.]

Okay, nächste Frage. Im nächsten Jahr wirst du 30. Ist das ein beunruhigender Gedanke?

Debelle: Nein, ich freue mich drauf. Ich fühle mich wohl mit meinem Alter. Außerdem sehe ich noch aus wie 16, das ist also kein Problem.

Gibt es etwas, das du unbedingt noch erreichen willst, bevor du 30 wirst?

Debelle: Ich habe schon genug erreicht, um wirklich dankbar sein zu können. Ich bin gesegnet. Und wenn da etwas wäre, was mir fehlt, dann ist das meine Privatsache, verstehst du? Aber ich bin gesegnet, dort zu sein, wo ich bin.

[Was für ein Hippie-Geschwurbel! Zur Krönung ruft Speech Debelle jetzt auch noch einen Musiker aus ihrer Crew zu sich, der sich zu ihr auf die Couch setzen soll. Das sind 90 zusätzliche Kilogramm, die sehr eindrucksvoll ihr Desinteresse an unserem Gespräch demonstrieren.]

Wenn du ein paar Jahre zurückblickst, bevor du den Mercury Prize gewonnen hast und alles richtig anfing: Was dachtest du damals, wo du mit 30 einmal stehen würdest? Was waren deine Erwartungen?

Debelle: Meine Erwartungen? Ich weiß nicht, ob ich überhaupt welche hatte. Ich wollte einfach ein Album rausbringen. Ich glaube nicht, dass ich mir damals viele Gedanken über 2012 gemacht habe.

[Zugegeben: Das habe ich auch nicht. Aber man hat doch irgendeinen Plan von seinem Leben. Man fragt sich doch: Wo werde ich mit 30 sein? Vor allem, wenn man es nach eigener Auskunft einfach in sich drin hat, „schon in einem ganz jungen Alter“, irgendwann einmal der Boss von irgendetwas zu sein. Warum sperrt sich diese Frau so gegen ein harmloses, halbwegs höfliches Gespräch? Warum gibt sie Interviews, wenn sie nicht über ihre Musik und nicht über sich selbst sprechen will? Warum tischt sie mir hier andauernd Widersprüche und Floskeln auf statt wenigstens zu sagen: „Hör zu, ich find das alles daneben. Schluss jetzt“?]

Außer einer großen Geburtstagsfeier: Was planst du noch für das kommende Jahr?

Debelle: Ich werde ein neues Album machen.

Und auch gleich herausbringen?

Debelle: Ich weiß nicht, ich habe noch nicht mal damit angefangen.

Bist du schnell bei der Arbeit im Studio?

Debelle: Ich schreibe schnell Songs. Aber so etwas wie schnelle Arbeit gibt es nicht. Es gibt keinen Zeitplan dafür. Es ist fertig, wenn es gut ist.

Du kriegst auch keinen Druck, zum Beispiel von der Plattenfirma?

Debelle: Weißt du was? Der einzige Druck, den ich habe, ist dass das Finanzamt glücklich ist.

Na das ist doch mal eine angenehme Lebenslage. Danke für das Gespräch.

[Mein Standardsatz zum Schluss ist normalerweise „I’m looking forward to your show.“ Diesmal sage ich das nicht. Ich werde mir das Konzert von Speech Debelle im Werk 2 nicht anschauen, denn ich bin wirklich müde. Und beleidigt.]

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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Ein Gedanke zu “Versuch eines Interviews mit Speech Debelle

  1. no offense und so, aber deine fragen waren jetzt auch beim lesen nicht gerade eine wucht. ich mein, ich habe keinen plan wie man ein gescheites interview mit einem künstler macht … doch zum einstieg die olympia-fragen beispielsweise zeigen scheinbar auf einen wunden punkt, der ihr unangenehm ist oder lese ich da was falsches rein? insofern ist ihre verstocktheit in dem punkt gar nicht so mysteriös…
    aber du hast schon recht: guten willen zum gespräch erkennt man bei speech dabelle in der tat nicht. deswegen schwamm drüber und begeisterndere leute finden.

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