ViVii – „ViVii“

Künstler ViVii

Vivii Review Kritik
Dass Vivii ein Trio sind, bestätigt das Cover ihres Debütalbums.
Album ViVii
Label Dumont Dumont
Erscheinungsjahr 2019
Bewertung

Einen ziemlichen Coup haben ViVii da gelandet. Bobby Womack, Cat Power oder The Weeknd waren bisher die Acts, die Lana Del Rey zu einem Gastauftritt bewegen konnten. Also durchweg seit vielen Jahren etablierte Größen im Musikgeschäft. Nun kommt ein kleines Newcomer-Trio aus Schweden daher und lässt einen der größten Popstars unserer Zeit auf seinem Debütalbum singen.

Das kann man zumindest glauben, wenn man And Tragic hört, das sechste Stück auf dieser Platte. „Don’t get me wrong“, sind die ersten Wörter, die da von dieser Stimme erklingen, die so sehr nach Lana Del Rey klingt. Natürlich entstammen sie nicht dem Mund der Amerikanerin, sondern dem von Caroline Jonsson, die ein Drittel von ViVii bildet. Die anderen Bandmitglieder sind ihr Ehemann Emil Jonsson sowie Anders Eckeborn. „Anders ist großartig, er liebt alle Arten von Geräuschen. Bevor wir auf ihn trafen, waren wir unendlich langsam. Seit wir mit ihm arbeiten, geht alles viel einfacher. Und es fühlt sich immer sehr natürlich an“, sagt Caroline Jonsson über die Rollenverteilung.

Das erwähnte And Tragic, das auch als zweite Vorab-Single dieses Albums veröffentlich wurde, hat innerhalb dieser Band-Dynamik eine ziemliche Verwandlung erlebt, erzählt sie: „Wahrscheinlich mögen wir es, auf diese Weise Musik zu machen: Wir lassen den Song einfach passieren, sodass die Musik ihren eigenen Weg finden kann. Im Kern handelt das Lied aber davon, dass das Leben nun einmal Spaß und Tragik enthält, und zwar zur gleichen Zeit.“ Die erste Single Suckerpunch wendet ebenfalls den Lana-Del-Rey-Effekt an, sogar noch deutlicher. Wenn Caroline Jonsson zu Beginn dieses Lieds die Wörter „Boom boom, boom chika boom boom“ singt, ist das der Höhepunkt dieses Albums. Dass dieser Track die Spitzenposition der Hype Machine erreicht hat, verwundert kein bisschen, nicht nur wegen dieser Ähnlichkeit. Auch Emil Jonsson trägt seinen Teil dazu bei, denn er bildet einen kongenialen Counterpart. „Baby blue, don’t smoke in bed“, lautet im Refrain seine Aufforderung, und die scheint auch genau angemessen zu sein für diese ebenso mondäne wie melancholische Atmosphäre, die am Ende mit den Worten „dance in slow motion“ zusammengefasst wird.

Die vielleicht erstaunlichste Erkenntnis an diesem Debütalbum und zugleich ein Beleg für das enorme Selbstbewusstsein von ViVii: In allen anderen Songs der Platte singt Caroline Jonsson mit Kopfstimme, die deutlich weniger nach LDR klingt und insgesamt sogar besser zur Ästhetik passt, die das Trio hier zu bieten hat. So drängt sich schon im Opener Pick Me Up eine ganz andere Parallele auf: Er beginnt wie ein Sirup aus Sounds, darüber legt sich dann Emils Helium-Stimme, bevor das Lied mit dem Refrain eine klarere Form findet, die ziemlich sehr einem Seidenschal ähnelt, der sich auf die Haut legt. „You can come and pick me up / you can come and save the day“, singt Caroline, und man muss zwangsläufig an Stars aus Kanada denken, nicht nur wegen der Sanftheit und Eleganz, sondern auch wegen des herrlichen Zusammenspiels der Stimmen.

Die Strophe von Love Love Love scheint eine hochmoderne Version von Country zu sein, der Refrain steht hingegen für zeitlose Schönheit. Emils Stimme klingt in Wanna Fly wie eine Glaskugel, die zersplittert ist und dann wieder zusammengesetzt wurde. End Of June ist zunächst akustisch, am Ende gibt es Call and Response. Der Anfang von Siv (You And I) lässt an Supertramps Give A Little Bit denken, dann setzen leichtfüßige Rhythmen à la Vampire Weekend ein, schließlich ein Refrain mit großer Geste, wie er zu Kate Bush oder Lorde passen würde.

Fibromyalgia vereint eine Smiths-Gitarre mit einer an die Shout Out Louds gemahnenden Heiterkeit, das anschließende Outro ist weitaus mehr als ein Anhängsel: Es legt noch einmal die einzelnen Schichten dieses Songs offen und zeigt damit den Mix aus Schönklang, Experiment und Referenz, den fast alle Lieder von ViVii bieten. Lost Nor Found, das die Platte abschließt, ist ebenfalls sehr typisch für den Sound der Schweden: Es gibt Picking auf der E-Gitarre mit ein paar Effekten, einen sehr dezenten Beat und diese beiden Stimmen, deren Ziel es zu sein scheint, sich im Verlauf des Albums immer ähnlicher zu werden. „Wanna fly high and live in the clouds“, singt Caroline Jonsson in Savant, das schon auf der gleichmamigen Debüt-EP enthalten war, und zeigt damit noch einmal, warum die Musik von ViVii so gerne als „Dream Pop“ bezeichnet wird. Der hier besungene Traum wird am Ende so wie diese Platte: auf sehr reizvolle Weise fantastisch.

Wie ein Traum (zumindest so unverbunen) ist auch das Video zu Suckerpunch.

ViVii bei Instagram.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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