Künstler*in | We Are The City | |
Album | At Night | |
Label | Sinnbus | |
Erscheinungsjahr | 2018 | |
Bewertung | Foto oben: (C) Sinnbus / Kirsten Huculiak |
Wie groß die Ambitionen von We Are The City waren, wurde schon im Jahr nach ihrer Gründung deutlich: 2019 bewarben sich Sänger/Keyboarder Cayne McKenzie, Schlagzeuger Andrew Huculiak und Gitarrist David Menzel beim Peak Performance Project, einem der am höchsten dotierten Förderprogramme für Newcomer in ihrer kanadischen Heimat. Das Trio gewann dann tatsächlich das Preisgeld in Höhe von 150.000 Dollar – und nutzte es prompt, um mit Violent (2013) eine Kombination aus Album und Film zu erschaffen, die ihnen viele Preise und reichlich Anerkennung einbrachte.
Auch At Night strotzt wieder vor großen Sounds und großen Ideen. Mid-Tempo Drama wirkt wie Soft-Rock auf Entzug von sehr schlechten Drogen, Dark Horizon schickt die Last Shadow Puppets auf Abwege, When You Dream, You Dream Of Waves war im Kern vielleicht mal eine Klavierballade, bevor eine Armada von kranken Beats darüber herfiel. Dazu kommen Gastauftritte ihrer Landsleute Emily Millard im ätherischen Auftakt Long Goodbye und Shad (der hier allerdings nicht rappt, sondern singt) im hoch interessanten Ones You Love.
To Get It Right You Have To Get It Wrong Sometimes setzt zunächst nur auf Klavier und Gesang, bevor sich dann im Hintergrund nach und nach immer mehr dieser windschiefen Sounds aufreihen, die das vierte Album des Trios prägen. In When I Dream, I Dream Of You ist der Beat so wuchtig und vor allem der Refrain so stark, dass We Are The City sich links und rechts davon sehr viele Experimente erlauben können, und das machen sie dann auch.
Immer wieder schimmern zwischen stolpernden und kaputten Rhythmen sehr hübsche Melodiepassagen hindurch, angeschoben wird dieser Mix von einem meist hohen Energielevel und erstaunlicher Abenteuerlust. Eine sehr treffende Referenz sind die Flaming Lips, in deren Oeuvre beispielsweise Our Spectacular & Common Lives passen würde, das irgendwie futuristisch und definitiv spinnert um die Titelzeile kreiselt. Eine gute Orientierung für den Sound von At Night ist auch die Zeile „God took LSD / and thought it was me“ aus Choice Is Unlike Anything, die den schrägen Wagemut dieser elf Tracks vielleicht am besten erklärt und zusammenfasst.
Die Platte ist selbst produziert und Teil eines Doppelalbum-Konzepts. Ursprünglich sollte bereits kurz nach At Night das entsprechende Gegenstück mit dem Titel RIP erscheinen. Letztlich kam RIP dann aber erst 2020 auf den Markt, und erwies sich passend zu seinem Titel auch noch als Schwanengesang von We Are The City. Kurz darauf verkündete die Band nämlich ihre Auflösung, die letzte Single hieß passenderweise Lover Is Dead. Ganz verwunderlich ist das nicht: Es wirkt bereits hier, als hätten diese drei Musiker, die sich schon als Teenager zusammengetan hatten, ihren Sound ausgereizt und ihre Ideen bis an die äußerste Grenze geführt.