Autor*in | Kati Naumann | |
Titel | Alte Liebe | |
Verlag | Edition Büchergilde | |
Erscheinungsjahr | 2005 | |
Bewertung |
Der Plot ist schnell erzählt: Eine Frau in dem Alter, das man bei einem Mann „die besten Jahre“ nennen würde, versauert in einem Vorort von Leipzig. Auch zehn Jahre nach der Wende ist sie noch nicht recht im neuen Zeitalter angekommen. In ihrer Orientierungs- und Hilflosigkeit ist sie aber doch offen und flexibel – wie ein Blatt im Wind, den sie dann prompt auch wiederholt als Orakel zu Rate zieht und als Fingerzeig für wichtige Entscheidungen nutzt.
Die einzige Aufregung in ihrem Leben sind Blitzer an roten Ampeln. Und Haushaltsauflösungen, bei denen sie immer wieder Ramsch und Antiquitäten ersteht, gegen den Willen ihres staubtrockenen Mannes.
Dabei stößt sie auf ein Paket mit Liebesbriefen, die ein deutscher Soldat im Zweiten Weltkrieg von der Front nach Hause geschrieben hat. Sie vertieft sich in die Geschichte und findet schließlich den Autor der Briefe. Gemeinsam mit einer neuen Nachbarin (Teenager und Grufti) bringt er ihr Leben durcheinander. Zu beiden entwickelt sich eine semi-erotische Beziehung mit seltsamer Rollenverteilung, schließlich nimmt sie sich beide zum Vorbild und trifft am Ende erstmals eine Entscheidung.
Auch wenn die Blicke in ihr Innenleben manches mal zu gut ausgeleuchtet sind, werden der Weg und die Motivation, die dahin führen, sehr deutlich. Vor allem die Banalität des Alltags, von Kati Naumann beinahe als erdrückendes Sittenbild entworfen, trägt dazu bei. Die ewige Wiederkehr von Putzen, Arbeiten und Busfahren, das Leben in einer Ehe, die Romantik schon längst durch Routine ersetzt hat, lässt die ganze Sehnsucht der Protagonistin nach Abwechslung, ihre (manchmal etwas kleingeistig wirkende) Gier nach der kleinsten Attraktion verständlich werden.
Am Ende ist es ein Sieg der Größe des Individuums gegen die Welt der Konvention. Wenn auch ein ganz kleiner Sieg.