William Fitzsimmons – „Covers Vol. 1“

Künstler*in William Fitzsimmons

William Fitzsimmons Covers Vol. 1 Review Kritik
William Fitzsimmons bietet auf „Covers Vol. 1“ etliche Überraschungen.
Album Covers Vol. 1
Label Grönland
Erscheinungsjahr 2022
Bewertung

Menschen, die mit der Musik von William Fitzsimmons nicht viel anfangen können, werden vielleicht zu einem vernichtenden Urteil kommen, wenn sie sämtliche Lieder auf seinen Alben gehört haben: „Das klingt alles gleich“, könnte ihr Fazit lauten. Diese These ist nicht ganz von der Hand zu weisen, denn den säuselnden Gesang, das getragene Tempo und die sanften Gitarrenklänge findet man in der Tat in fast all seinen Songs. Was die Fans als unverwechselbar, intim und vertraut schätzen, kann man eben auch ein bisschen langweilig finden, insbesondere dann, wenn man nicht wahrnimmt, wie viel Spannung und Klugheit sich in den Texten von William Fitzsimmons finden lässt.

Mit Covers Vol. 1 macht er aus dieser Schwäche eine Stärke. Denn die Charakteristika seines Sounds sind auch in diesen zwölf Liedern klar erkennbar, und sie sorgen dafür, dass der Künstler das schafft, was man sich von einer guten Coverversion erwarten darf: Er macht sich die Vorlage zu eigen. Egal, von wem das Original stammt – hier klingen diese Lieder immer, als seien sie William-Fitzsimmons-Lieder.

Auch die zweite wichtige Bedingung für ein gelungenes Covers-Album ist erfüllt: Die Songauswahl bietet einige Überraschungen („Diese Vielstimmigkeit war mir wichtig“, sagt Fitzsimmons. „Ansonsten gab es eigentlich keine Regeln. Das sind alles Songs, die ich liebe. Die Bedeutung der Songs für mich persönlich war mir wichtiger als ihre Popularität. Ich habe allerdings bewusst darauf verzichtet, allzu offensichtliche Heldinnen und Helden wie Joni Mitchell und Bob Dylan zu covern.“). Und nicht zuletzt sind natürlich auch die Neubearbeitungen, die der 44-Jährige größtenteils allein in seinem Heimstudio aufgenommen hat, immer stimmig und elegant, in einigen Fällen sogar spektakulär.

Die beiden Ausgangspunkte für Covers Vol. 1 heißen dabei: Scheidung und Pandemie. Fitzsimmons hat sich von seiner zweiten Frau getrennt und ist nach Nashville gezogen. Dort erschienen ihm Covid und Lockdown zunächst wie unverhoffte Möglichkeiten, in aller Ruhe anzukommen und viel Zeit mit seinen Kindern zu verbringen. Aber bald fühlte sich die Situation nicht mehr wie eine willkommene Entschleunigung an, sondern wie erzwungene Langeweile. „Wenn ich nichts zu tun habe, bleibe ich nachts zu lange wach, mutiere zum Kettenraucher, trinke zu viel und ernähre mich schlecht“, erzählt der Songwriter über seine Lage in dieser Phase. „So ist das bei mir immer, mit oder ohne Pandemie.“

Die Lösung war der Wunsch, „einfach wieder eine Aufgabe zu haben. Ich wollte abends ins Bett gehen, müde sein und wissen, dass ich etwas Gutes geschafft habe“, sagt er, und so entstand die Idee, ein paar der Lieder, die sein Leben geprägt haben, aufzunehmen. Live überrascht er seine Fans immer mal wieder mit eigenen Interpretationen fremden Materials, von Björk bis Kanye West. Den Charme dieser Idee schätzt er auch auf Covers Vol. 1: „Ich muss diese Songs nicht schreiben, es gibt sie ja bereits. Das war für mich also ein bisschen wie Urlaub. Ich musste mir keine Gedanken darüber machen, ob die Melodien und die Texte gut genug sind, sondern konnte mich darauf konzentrieren, dass sie gut klingen.“

So gelingt es tatsächlich, dass die Platte ein Abenteuer wird, die nach William Fitzsimmons klingt und zugleich immer wieder staunen lässt. Den Auftakt macht The 1, im Original von Taylor Swift (!), was der einstige Psychotherapeuth selbst etwas kurios findet. „Ich habe mich lange gegen Taylor gewehrt, weil ich bei erfolgreichen Mainstream-Acts immer noch automatisch in die Opposition gehe. Aber dann haben meine Töchter mich bekehrt, mit ihnen halte ich nun regelmäßige Taylor-Swift-Partys ab, bei denen wir alle zusammen tanzen“, erzählt er. Der Song klingt hier zerbrechlich und wehmütig, mit einem Hauch von Groove und ganz am Ende sogar mit einem angedeuteten Beat. Fast noch überraschender ist, was er direkt danach aus Love Will Tears Us Apart macht: Das Stück von Joy Division ist so pechschwarz, dass es Generationen gebrochener Herzen und verzweifelter Existenzialisten ins Mark getroffen hat, hier wird es nicht nur niedlich und durch Klavier und Streicher am Ende elegant, sondern auch erstaunlich tröstlich.

The Commander Thinks Aloud (die Vorlage stammt von The Long Winters und behandelt das Space-Shuttle-Unglück im Jahr 1986) hat er ausgewählt, weil es ein wichtiger Teil seiner musikalischen Sozialisation war. „Ich weiß noch genau, wie ich als Kind nach Hause gekommen bin und die Berichte über die Challenger-Katastrophe gesehen habe. The Long Winters haben die perfekten Worte für meine damaligen Gefühle gefunden. Ich muss jedes Mal weinen, wenn ich den Song höre“, sagt Fitzsimmons, der in seiner Interpretation auf elektronische Beats, etwas Soft-Rock-Feeling und die zweite Stimme von Abbie Gunderson setzt. Geradezu spektakulär wird das folgende Solsbury Hill. Die Coverversion zeigt, dass Peter Gabriels Pop-Großwerk auch bestens als Folk-Song mit Gitarrenpicking funktioniert und enthält zudem das vielleicht zarteste „Boom, boom, boom“, das man in der Musikgeschichte jemals gehört hat.

Mit Annie’s Song präsentiert Fitzsimmons dann die erste naheliegende Wahl und zeigt, dass das Lied von John Denver wie gemacht für ihn ist. Auch mit Futile Devices (Sufjan Stevens), Naked As We Came (Iron & Wine) oder Lovin’s For Fools, das man vielleicht als Schützenhilfe für die junge Songwriterin Sarah Siskind verstehen darf, bewegt er sich in vertrauten Gewässern. Please (Chelsea Cutler) bekommt ebenfalls ein typisches Fitzsimmons-Arrangement, zeigt aber zugleich, wie subtil er darin Stimmungen und sogar Dramen nachspüren kann: Nervosität und Verunsicherung sind hier gut erkennbar, zugleich wird deutlich, dass dieser Song nicht nur von der Suche nach Vertrauen handelt, sondern auch von einem Punkt im Leben, an dem alles ins Kippen geraten könnte.

Your Song (jawohl, der erste Hit von Elton John) funktioniert in den Händen dieses Mannes auch mit Schrammelgitarre und der zweiten Stimme von Allie Moss, zum Abschluss von Covers Vol. 1 gibt es noch zwei Stücke, die sehr unmittelbar mit der gerade durchlebten Trennung zu tun haben. „Meine zweite Ehe war gescheitert, ich lebte aber noch mit meiner Frau zusammen. Während ich auf Tour war, zog sie mit den Kindern aus, ich kam also zurück in ein leeres Haus, eine der schlimmsten Phasen meines Lebens“, berichtet Fitzsimmons, der dann Besuch von seinem besten Freund erhielt, der ihm auch beim Umzug nach Nashville unter die Arme griff. „Wir tranken eine Menge Bier, hörten ununterbrochen Automatic For The People – für mich das perfekte Album! – und vor allem immer wieder diesen Song“, sagt er über Sweetness Follows von R.E.M., das auch hier von Verlust und Schmerz geprägt ist, aber auch schon Spuren von Akzeptanz und Vergebung erkennen lässt.

Noch intimer ist die Geschichte, die hinter der Entscheidung für Smoke Signals von Phoebe Bridgers steht. „Ich liebe Phoebe Bridgers erstes Album sowieso, diesen Song habe ich aber aus einem anderen Grund ausgewählt: Der Typ, der mit meiner zweiten Frau geschlafen hat, schenkte ihr ein Cover dieses Songs, womit er für mich verbrannt war. Das klingt vielleicht ein bisschen seltsam, aber ich liebe diesen Song und das ist jetzt meine Art, ihn mir wieder zurückzuholen“, erzählt William Fitzsimmons, und passend dazu hört man hier all den Glauben an den Trost, die Sicherheit und das Glück, das man in der Zweisamkeit finden kann.

Covers Vol. 2 ist übrigens ebenfalls schon weitgehend im Kasten. Man darf wohl auch dann mit dem typischen William-Fitzsimmons-Sound rechnen, und erneut mit einigen Überraschungen bei der Songauswahl. Wer gerne wetten möchte, kann sich vielleicht an diesem Interview orientieren: Neben Acts, deren Lieder hier tatsächlich schon zu hören sind, benennt der Künstler darin als Vorbilder unter anderem noch Nick Drake, James Taylor, Sun Kill Moon, Brooke Fraser, Bon Iver und die Dire Straits. Man darf gespannt sein, wer davon auf dem zweiten Teil dieser Reihe vertreten sein wird.

Ist das schon Dirty Dancing? Das Video zu Annie’s Song.

Website von William Fitzsimmons.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

Alle Beiträge ansehen von Michael Kraft →

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.