Wilma Archer – „A Western Circular“

Künstler Wilma Archer

Wilma Archer A Western Circular Review Kritik
Fünf Jahre hat Wilma Archer an „A Western Circular“ gearbeitet.
Album A Western Circular
Label Domino
Erscheinungsjahr 2020
Bewertung

Slice nannte sich Will Archer in seiner ersten künstlerischen Inkarnation, in der er schon eine EP und ein Album veröffentlicht hatte. Vom Ausschnitt ist der Mann aus Newcastle jetzt zum Ganzen gekommen: A Western Circular ist sein erstes Album als Wilma Archer.

„Ich habe über Kreise und die Idee der Vollendung nachgedacht … ob es wichtig ist, einen Kreis zu schließen, und über den Konflikt, der entsteht“, sagt er über den Albumtitel. „Du fühlst dich vielleicht an einem Tag gut, am nächsten schrecklich, eine Woche später denkst du ganz ähnliche Sachen und bemerkst plötzlich, dass du dich eigentlich bloß auf ein kreisförmiges Denk- oder Verhaltensmuster einlässt, das sowohl beruhigend als auch traurig ist.“ Damit ist schon das wesentliche Thema benannt: Zu den verschiedenen Stimmungen von euphorisch bis deprimiert passen die sehr verschiedenen Genres, die Wilma Archer sich erschließt. A Western Circular beginnt mit dem Titelsong, der von geheimnisvollen Streichern getragen wird. Cures And Wounds bietet interessante Percussions, in Ugly Feelings (Again) übergibt ein Saxofon die Hauptrolle zwischendurch an den Bass, Killing Crab ist nahe an klassischer Streichermusik, Worse Off West beschließt das Album als kurzer Abschiedsgruß.

An der Platte hat Wilma Archer fünf Jahre gearbeitet. Zum einen wollte er sich nicht hetzen lassen, sagt er, zum anderen war er parallel auch mit etlichen Jobs für andere Künstler eingespannt. So arbeitete er etwa mit Pyramid Vritra und Jessie Ware zusammen. Auch A Western Circular ist ein Produkt vielfältiger Kollaboration. MF Doom steuert einen Rap zu Last Sniff bei, was mit dem Streicher-Arrangement und dem minimalen Beat einen spannenden Mix ergibt. Der Gesang in The Boon (mit Sam Herring von Future Islands) rückt das Lied in Richtung Soul-Ballade. Auch bei Decades ist Sam Hering mit von der Partie, ebenso trägt Laura Groves zum warmen, charmanten und einnehmenden Charakter des Songs bei. Bei Cheater steuert Sudan Archives etwas Funk bei, wenn auch in einer sehr zurückhaltenden Ausprägung.

Scarecrow ist das Lied, das die stilistische Vielfalt der Platte innerhalb eines Songs zusammenfasst: Kontrabass und Besenschlagzeug machen den jazzigen Auftakt, all das erweist sich als Vorgeplänkel für ein Gitarrensolo, als nächstes gesellen sich Orgel und Bläser hinzu, bis ein Saxofon ins Rampenlicht rücken darf, nach knapp fünf Minuten setzen auch Stimmen ein, die aber nur Geräusche verbreiten, keinen Text.

„Es ist eine intime Platte“, erklärt Wilma Archer sehr zutreffend über sein Werk, für das er Frank Zappa und den Schriftsteller John Fante als wichtigste Einflüsse nennt. „Auf der Hülle ist ein Hinweis, den ich vor ein paar Jahren geschrieben habe. Ich habe festgestellt, dass er zufällig etwas ähnelt, was Mark Hollis einmal in einem Interview gesagt hat. Sinngemäß war das: ‚Diese Musik wurde entworfen, um alleine gehört zu werden in einem schwach beleuchteten Raum ohne Ablenkungen.‘ Die Lieder hier waren allerdings nie dazu gedacht, ‚gehört‘ zu werden. Sie sind nichts, was man im Hintergrund hören kann, um das zu bereichern, was man tut. Diese Musik ist das, was man tut. Alles andere wäre ein schlechter Dienst für ihre Schöpfer.“

Das Video zu Last Sniff ist ein sehr hübscher Animationsfilm geworden.

Wilma Archer bei Bandcamp.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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