Liest man die aktuellen Schlagzeilen zu Siemens, zur Bahn oder zu Airbus, dann scheint das nicht zusammenzupassen: Wirtschaft und Frieden. Dennoch hat gestern ein Unternehmer, sogar ein Bankier, den Friedensnobelpreis erhalten. Das ist nicht nur eine faustdicke Überraschung, sondern auch eine goldrichtige Entscheidung. Das norwegische Komitee richtet damit den Blick der Öffentlichkeit auf die Dritte Welt, auf die Situation von Frauen – und auf den Zusammenhang von Armut und Krieg.
Mohammed Junus hat diesen längst erkannt. Schon vor 30 Jahren wurde ihm klar, dass es oft nur der Mangel an Kapital ist, der seine Landsleute in Bangladesch zu einem menschenunwürdigen Dasein zwingt und sie mitunter in die Kriminalität treibt.
Mit viel Hartnäckigkeit, persönlichem Einsatz und dem Glauben an seine Mitmenschen hat er eine ebenso einfache wie wirkungsvolle Lösung für dieses Problem gefunden: Junus gibt ihnen günstige Kredite. Nicht für einen Plasmafernseher oder ein neues Auto, wie dies hier zu Lande üblich ist, sondern für den Bau von Wohnungen, für Ausbildung, Rente oder einen bescheidenen Handwerksbetrieb. Den Begriff der „Existenzgründung“ kann man hier ganz wörtlich nehmen, denn die Mikrokredite haben sich für viele Menschen als Brücke erwiesen – nicht zum Wohlstand nach westlichem Verständnis, aber zu einem eigenständigen, freien, gestalteten Wirken. Dieser Ansatz der Selbstverwirklichung von unten stärkt auch Demokratie und Menschenrechte.
Wenn es bei der Ehrung für Junus einen Wermutstropfen gibt, dann ist es dieser: Das Konzept vom Selfmademan als Mensch der Zukunft, vom Markt als Allheilmittel, entlässt die Politik beinahe völlig aus der Verantwortung. Von der ursprünglichen Friedens-Definition Alfred Nobels, der in seinem Testament von diplomatischen Bemühungen, von Abrüstung und Verständigung sprach, hat sich das Komitee damit erneut entfernt.
Doch die Entscheidung für Junus zeigt ein Verständnis von Frieden, das der Realität im 21. Jahrhundert weitaus besser gerecht wird. Die Botschaft lautet: Frieden ist zwar nicht identisch mit Wohlstand, wird aber durch Armut und Ungleichheit immer bedroht werden. Diese Erkenntnis ist hoch aktuell und sollte zum Nachdenken anregen – auch in der Politik, auch in Deutschland.
Ein Gedanke zu “Wohlstand von unten”