Künstler | Woods Of Birnam | |
Album | Grace | |
Label | Royal Tree | |
Erscheinungsjahr | 2018 | |
Bewertung |
Allein, allein hieß vor zehn Jahren bekanntlich der große Hit von Polarkreis 18. Als sich die Band 2012 auflöste, machten mit Philipp Makolies (Gitarre), Uwe Pasora (Bass), Ludwig Bauer (Keyboard ) und Christian Grochau (Schlagzeug) gleich vier der Mitglieder dieser Band bei den Woods Of Birnam weiter. Die veröffentlichen übermorgen ihr drittes Album, und das letzte Lied darauf trägt verwunderlicherweise den Titel Alone. Mehr noch: Der Refrain heißt tatsächlich „Alone / alone.“ Versuchen die Dresdner sich da an einer internationalen Version ihres einstigen Mega-Erfolgs? Mitnichten. Alone unterscheidet sich als sehr intime Klavierballade schon klanglich stark von dem Song, der damals fast ein Jahr lang in den deutschen Charts blieb. Vor allem aber enthält er eine Zeile, die zum eigentlichen Kern von Grace führt. “Where is she?”, fragt Sänger Christian Friedel darin, und gemeint ist damit seine Mutter, die im Dezember 2013 unerwartet verstarb.
Die Platte, deren Titel einem Vers von John Milton entnommen ist, darf man eindeutig als ein Werk der Trauerarbeit begreifen. Woods Of Birnam hatten schon im Januar 2016 mit den Aufnahmen dazu angefangen, die Sessions mit Produzent Olaf Opal dann aber unterbrochen, um das Theater/Musikprojekt Searching For William umsetzen zu können. Die Nähe zu E statt U und Feuilleton statt Visions war bei den Dresdnern schon immer ein wichtiges Element, wie etwa Auftritte bei Aspekte im ZDF, beim German Film Abend in Cannes 2016, bei der Verleihung des Grimme-Preises im selben Jahr oder Engagements als Theaterband für diverse Inszenierungen belegen.
Ein Thema, das kaum ernster sein könnte, sollte für sie – bei aller Tragik des Zustandekommens – also beinahe eine Steilvorlage sein. Wer ein maximal sensibles Meisterwerk erwartet, in dem die Musiker ihre jeweiligen Talente zur Blüte bringen können, wird sich allerdings getäuscht sehen. Ganz bewusst haben sich Woods Of Birnam entschieden, dem traurigen Anlass eher beschwingte und optimistische Musik zur Seite zu stellen. Auf Grace soll nicht der Verlust im Vordergrund stehen, sondern dessen Überwindung. Das hat allerdings – auch weil die Texte mit einigen Klischees und manchmal hölzernem Englisch daherkommen – nicht immer überzeugende Ergebnisse zur Folge. Dass Christian Friedel tief berührt ist, sogar erschüttert, klingt in diesen zehn Liedern kaum durch, jedenfalls nicht im Sinne einer klaffenden Wunde. Auch wenn das wohl so beabsichtigt war, ist es im Kontext des Albums dennoch manchmal ein Manko, mitunter sogar ein Ärgernis.
Vier Songs in der Mitte des Albums sind in dieser Hinsicht besonders misslungen. All We Need ist nicht nur ein Beispiel für die arg simplen Reime auf Grace, sondern insgesamt schlimmer Kitsch, obendrein langweilig. Es klingt, als hätten Woods Of Birnam es für den Moment geschrieben, in dem Thomas Anders im Selbstmitleid ertrinkt. Meadow Marie erweist sich als Schlager-Schmonzes, als würde sich Peter Andre an einem Modern-Talking-Tribut versuchen. Die einzelnen Elemente von Into The Rapture sind zwar gut, aber im Zusammenspiel will das die Leichtfüßigkeit, die sie für das gesamte Album angestrebt haben, ein bisschen zu hörbar erzwingen. Overload hat nichts zu bieten außer seiner Schwülstigkeit.
Wenn danach Homeless erklingt, das weitestgehend nur auf Gesang und eine zurückgenommene E-Gitarre setzt, dann ist das (nach vier Fehlgriffen in Folge, die die Gesamtbewertung mächtig runter reißen) extrem wohltuend. Das Lied wird zu einem Höhepunkt von Grace – gerade, weil es das wohl gar nicht sein will. Das Album hat davor und danach natürlich noch mehr gute Passagen zu bieten. Spannende Percussions legen in Isolation das Fundament für eine sehr stimmige Atmosphäre, das Arrangement bewahrt dann seine Klasse bis hin zum letzten Teil des Songs, in dem man fast unbemerkt landet und plötzlich erkennt, dass man tanzt. Hommage au Soleil besingt die heilende Kraft des Lichts, die man tatsächlich herauszuhören meint. Call To Arms klingt erst überraschend harmlos (erst recht, wenn man bedenkt, dass von der lateinischen Formulierung für „zu den Waffen“ das deutsche Wort „Alarm“ abgeleitet ist), bis es dann doch noch energisch wird.
Cornelius Pollmer von der Süddeutschen Zeitung sieht in Grace „ein kostbares Nachtschattengewächs aus den Wäldern von Birnam, ein farbenreiches Vergess’deinnicht. Sein Leuchten ist hoffentlich noch von jener Wolke zu sehen, für die Grace überhaupt gewachsen ist.“ In den besten Momenten des Albums kann man diese Einschätzung teilen. No Love Out, No Love In deutet als Opener zunächst Theatralik durch ein Schlagzeugsolo an, setzt dann aber doch auf ein recht behutsames Tempo mit einem dezent elektronischen Beat, um schließlich mit dem Refrain eine geheimnisvolle Kraft zu entwickeln, bevor das Lied am Ende im Ungefähren entschwindet. Im Titelsong Grace steht eine sehr ursprüngliche akustische Gitarre im Kontrast zu etlichen Eighties-Elementen. Der bestechende Charme des Refrains ist vor allem dem Gesang zu verdanken, später setzt ein schickes Streicherarrangement dem Lied die Krone auf. Das überzeugende I Didn’t Notice macht klar, wie Grace als Ganzes wahrscheinlich gedacht war: Selbst beim pompösen Finale gilt noch, dass Produktionstricks, Arrangementkünste und Soundzitate nicht Selbstzweck sind, sondern dem Song dienen.
Trauer kann man auch wegtanzen, zeigt das Video zu Into The Rapture.
Im Januar 2019 sind Woods Of Birnam auf Grace-Tour.
04.01. Erfurt, Kalif Storch
05.01. München, Milla
06.01. Stuttgart, Keller Klub
10.01. Berlin, Lido
11.01. Magdeburg, Moritzhof
12.01. Hannover, Lux
13.01. Dresden, Beatpol
16.01. Düsseldorf, Zakk
20.03. Hamburg, Elbphilharmonie (Kleiner Saal)